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Finanz-Newsletter > NL 4_11
OGH-Urteil zu Gutachten hinsichtlich Mündelsicherheit – Haftet Gutachter?
Vorige Woche berichteten die Finanzdienstleister OÖ über ein interessantes Urteil. In ihrem Newsletter stand zu lesen: „Es gibt nun ein neues OGH-Urteil mit folgendem Rechtssatz: „Die Richtigkeit eines Gutachtens über den Erwerb von Wertpapieren zur Anlegung von Mündelgeld iSd § 230e ABGB ist einer ex ante Prüfung zu unterziehen, sodass es auf die Vorhersehbarkeit des Wertverlusts der Aktien zum Zeitpunkt der Gutachtenserstellung ankommt. Bei der Beurteilung darf sich ein Sachverständiger auf öffentlich zugängliche Erkenntnisquellen (Jahresabschlüsse; Prüfberichte; Börsenstatistiken; Presseberichte) beschränken, solange keine begründete Zweifel an deren Richtigkeit bestehen.“
Wir wollten wissen, worum es dabei konkret geht und was der Satz im Detail bedeutet. Daher haben wir uns das Urteil näher angesehen und Details via VKI recherchiert.Das komplette Urteil des OGH (3 Ob 79/10d) können Sie hier nachlesen...
Geld von Kindern sollte mündelsicher angelegt werden und ging dennoch verloren: Gutachter haftet nicht sagt OGH. Wie wird das begründet?
Mündelsicher veranlagen bedeutet, dass Verluste praktisch ausgeschlossen sind, zumindest als sehr unwahrscheinlich gelten. In der Finanzkrise gab es auch in diesem Bereich manchmal „böses Erwachen“. Und nun stellen sich vor allem die Betroffenen, aber auch die Branche selbst, die Frage, ob bestimmte Wertpapiere als mündelsicher einzustufen waren. Und ob ein Gutachter, der Mündelsicherheit bescheinigte, dafür haftet.
Im konkreten Verfahren ging es um Aktien der Immofinanz und der beklagte Gutachter erstellte für die Constantia Privatbank AG (nunmehr Aviso Zeta Bank AG) insgesamt 7 Gutachten über Immofinanz-Aktien. Ihm war bekannt, dass zwischen der Bank und der Immofinanz AG enge geschäftliche Beziehungen und auch personelle Verflechtungen bestanden. Die vom Beklagten erstatteten Gutachten sollten die grundsätzliche Eignung der Aktien zur Mündelgeldveranlagung darstellen.
Laut Meinung des Sachverständigen waren Immofinanz-Aktien damals zur Veranlagung von Mündelgeld geeignet, sofern die Veranlagung im Rahmen eines sinnvollen Portfoliomixes (also eine Risikostreuung durch verschiedene Veranlagungen) erfolgte.
Im konkreten Fall suchte eine Mutter einen Vermögensberater auf, um Geld ihrer Kinder, das diese geerbt hatten, mündelsicher anzulegen. Der Berater riet zu einer Anlage mit einer guten Rendite und erklärte, dass die vorgeschlagenen Aktien laut einem Gutachten mündelsicher seien. Die letzten beiden Seiten des Gutachtens wurden der Mutter gefaxt. Und nach Genehmigung durch das Pflegschaftsgericht kaufte die Mutter pro Kind um 2.500 € Immofinanz-Aktien. Das gesamte Gutachten forderte sie jedoch nicht an.
Dann kamen die Verluste. Nun klagte der Verein für Konsumenteninformation (VKI) den Gutachter. Das Erst-Gericht wies die Klage ab. Es betonte, dass der Gutachter grundsätzlich nur gegenüber seinem Auftraggeber, also der Bank, hafte. Wenn der Gutachter aber damit rechnen müsse, dass sein Werk an dritte Personen gelangt und diese darauf vertrauen, dann sei auch hier eine Haftung möglich. Im konkreten Fall sagte das Gericht, dass der Gutachter nicht hafte. Denn: „Er habe bereits im Punkt 1 des Gutachtens dargestellt, dass dieses Gutachten eine Mündelsicherheit der konkret untersuchten Aktien nicht feststellen könne“. So wörtlich das Gericht.
Das Gericht gestand der klagenden Partei zu, „dass bei isolierter Betrachtung … des verwendeten Fettdrucks beim Satzteil „Aktien der I***** AG derzeit zur Veranlagung von Mündelgeld geeignet“ … der Eindruck entstehen könnte, dass das Gutachten des Beklagten die Mündelsicherheit dieser Aktien tatsächlich attestiere. Die Aussage werde aber bereits durch den nächsten Halbsatz relativiert. Daher sei bei Gesamtbetrachtung des Gutachtens trotz einer gewissen „Tendenz“ davon auszugehen, dass es keine Aussage darüber treffe, dass die Aktien stets als mündelsicher bezeichnet werden könnten. Da demnach eine Haftung des Beklagten zu verneinen sei, könne die Frage, ob das Gutachten bei der gebotenen ex-ante-Betrachtung als inhaltlich richtig zu bezeichnen wäre, dahingestellt bleiben“. So das Erst-Urteil.
Das Erstgericht betonte auch, dass der Gutachter nicht damit rechnen müsse, dass seine Auftraggeberin das Gutachten auf ihrer Homepage anpreise. Was sie aber tat.
Die nächste Instanz bestätigte das Urteil. Auch der Oberste Gerichtshof (3 Ob 79/10d) entschied, dass der Gutachter nicht hafte, wenn nur Teile seines Werks weitergegeben würden. Überdies sei das Gutachten aus damaliger Sicht sorgfältig genug erstellt worden. Man dürfe nicht vom heutigen Wissen ausgehen: Sonst „kann sogar der Standpunkt vertreten werden, Aktien seien generell nicht mehr als sichere Anlagen zu bewerten“, so der OGH.