Ist nun alles gut? Oder haben wir nur vergessen?
Pensionsgipfel gescheitert – ist nun alles gut?
In unserer kurzlebigen Zeit, Wahlkampf und Regierungskrise sei es gedankt, vergisst man schnell. Manchmal kann man sich des Gefühls nicht erwehren, dass dies der Politik durchaus recht ist.
Erinnern Sie sich noch an die Pensionsreform-Debatte, die jahrelang dahin wogte und in Richtung des monatelang vorab geplanten Pensionsgipfel mit Spannung am 29. 2. entgegen fieberte? Was wurde damals beschlossen? Was kommt nun?
Ein Rückblick: Am 29.2. fand der lange im voraus festgesetzte Pensionsgipfel statt. Ziel war unter anderem die Überprüfung, ob das Pensionsantrittsalter ausreichend genug gestiegen ist oder man hier nachschärfen müsse, um das staatliche Pensionssystem weiter zu stabilisieren.
Pensionssystem nicht nachhaltig
Bekanntlich gab es in den letzten Monaten zahlreiche Kritik über die Nachhaltigkeit unseres Pensionssystems. Wir haben unter anderem bereits im November-Newsletter ("Mercer-Studie: Österreich rutscht auf Platz 18 von 25 untersuchten Pensionssystemen ab") bzw. im Jänner ("Schlechte Noten durch OECD und IWF für unser Pensionssystem") darüber berichtet.
Der Standard titelte bereits vor dem Treffen am 29.2. "Pensionsgipfel mit Absturzgefahr" und wies darauf hin, dass sich nach dem Pensionsgipfel nicht viel ändern werde. Grund seien unter anderem die Unstimmigkeiten zwischen den Koalitonsparteien und den Wirschafts- bzw. ArbeitnehmervertreterInnen. Die WirschaftsvertreterInnen konzentrieren sich auf die statistischen Zahlen, die das Pensionssystem enorm unter Druck bringen und rufen nach Reformen, um die Kosten zu decken und damit das Pensionssystem zu stabilisieren.
Dank der steigenden Lebenserwartung wird die Zahl der über 65-Jährigen bis 2060 von 1,6 Millionen auf 2,8 Millionen ansteigen. Derzeit liegt der jährliche Zuschussbedarf der Steuerzahler bei 3% bzw. 6% des BIP. In den nächsten Jahren wird sich dieser Zuschuss fast verdoppeln (Details siehe Grafik).
Graphik: DER STANDARD, Quelle: SozialministeriumPensionsautomatik
Als Lösung forderte die Wirtschaft eine Pensionsautomatik, also eine automatische Angleichung des Antrittsalters an die steigende Lebenserwartung. Oder zumindest einen "Gerechtigkeitsmechanismus", durch den der Sozialminister verpflichtet werden sollte, Maßnahmen zu ergreifen, wenn der festgesetzte Kostenpfad nicht eingehalten wurde. Auch eine raschere Angleichung des Frauenpensionsalters (aktuell 60 Jahre) an das der Männer (65) bereits vor der schrittweisen Anhebung ab dem Jahr 2024, war eine Forderung.
ArbeitnehmerInnen fordern Bonus-Malus-System für Unternehmen
Die ArbeitnehmerInnen-Seite ist dagegen davon überzeugt, dass die ArbeitnehmerInnen schon genug Belastungen auf sich nehmen mussten und man durch steigende Beschäftigungszahlen das Problem lösen solle. Immerhin gab es seit dem Jahr 2000 bereits 6 Reformen, die vor allem Verschlechterungen für die ArbeitnehmerInnen brachten. So z.B. Abschläge bei vorzeitigem Pensionsantritt, Einschränkungen bei der Invaliditätspension, usw.
Ihr Lösungsansatz: Das System solle durch steigende Beschäftigungszahlen stabilisiert werden. Um das zu erreichen, sollten die Unternehmen durch ein Bonus-Malus-System dazu motiviert werden, die MitarbeiterInnen nicht vorzeitig in Pension, Arbeitslosigkeit oder Invalidität zu schicken. Schon jetzt „tritt kaum mehr als die Hälfte der ArbeitnehmerInnen aus dem Erwerb in die Pension, jeder Fünfte kommt aus der Arbeitslosigkeit", wie "Der Standard" recherchierte.
Unterschiedliche Sichtweisen auf das gleiche Problem
Wie man sehen kann, gibt es von den VertreterInnen der beiden Seiten unterschiedliche Sichtweisen und Lösungsvorschläge. Eine gemeinsame Sicht auf die wirkliche Ursache des Problems wurde aber nicht gefunden, weshalb es auch schwer ist, eine gemeinsame Antwort zu finden.
Was brachte der Gipfel – Stimmen der Experten
Glaubt man den Reaktionen, dann kaum etwas!
"Die Ergebnisse seien denkbar unspektakulär", meinte etwa Ulrich Schuh, Leiter des Forschungsinstituts EcoAustria gegenüber Orf.at. Die Regierung habe viel zu wenig die langfristigen Perspektiven des Pensionssystems und die steigende Lebenserwartung berücksichtigt. Auch Thomas Url vom Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) hält das vereinbarte Paket für nicht ausreichend, um den derzeit steigenden Bundeszuschuss zu den Pensionen stabil zu halten. Die Junge Industrie titelte in ihrer APA-Meldung mit „Und täglich grüßt das Murmeltier" – deren Bundesvorsitzende Dr. Therese Niss fasste das Ergebnis wie folgt zusammen: „Also fahren wir eben weiter offenen Auges mit Vollgas in Richtung Wand".
"Reform-Blindgänger"
Auch die Junge Wirtschaft war enttäuscht und titelte in ihrer APA-Aussendung: "Statt Reform-Turbo nur ein Reform-Blindgänger". Und legte das Augenmerk auf ein Folge-Problem des Pensionssystems. Die notwendige Sanierung des Budgets (durch EU-Vorgaben) macht ein ständiges Geldzuschießen unmöglich.
Man beachte, dass bereits über ein Viertel des jährlichen Staatsbudgets in die Pensionen fließt. Wie stark der Pensionsbereich unsere Staatsausgaben dominiert, zeigt eine Graphik, die der Think Tank Agenda Austria aus Zahlen der Statistik Austria erstellt hat. Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte:
Graphik: Agenda Austria, Statistik Austria
In Kombination mit dem aktuellen Schuldenstand Österreichs von knapp 300 Mrd. Euro zeige sich klar die Notwendigkeit einer Reform. „Das Pensionssystem hängt am Tropf. Doch obwohl das System krankt, sind die Reformblockierer in der Bundesregierung gegen nachhaltige Reformvorschläge immun", so der JW-Bundesvorsitzende Rohrmair-Lewis.
Genau in die gleiche Wunde hatte der IWF seine Finger gelegt und Österreich dringend Sparmaßnahmen (u.a. beim Pensionssystem) ans Herz gelegt.
Was brachte der Gipfel wirklich?
Auf jeden Fall keine der großen Aktionen, die man im Vorfeld forderte. Keine Pensionsautomatik, keine Reform der – nicht funktionierenden – bereits reformierten Invaliditätspension (wir hatten bereits im Jänner-Newsletter darüber berichtet). Kein Bonus-Malus-System für Firmen.
ÖVP und SPÖ einigten sich darauf, dass der Zuverdienst in der Pension unattraktiver gemacht werden soll. Doch dies scheint schon wieder Geschichte zu sein, da sich gleich danach Widerstand der Pensionistenverbände regte. Ein Schelm, wer da an die aktuelle Bundespräsidentenwahl denkt.
Weiters wurde eine Reduzierung der 34-köpfigen Pensionskommission – die der Regierung Maßnahmen vorschlagen sollte, sich aber 2015 nicht einmal auf einen gemeinsamen Bericht einigen konnte – beschlossen. Ebenso soll laut SPÖ-Aussendung ein Maßnahmenpaket zur Rehabilitation beschlossen worden sein, „das ältere Menschen und kranke Menschen ihren Möglichkeiten entsprechend wieder gesund in den Arbeitsmarkt integrieren" soll. „Es soll mehr Früherkennung, mehr Vorsorge und mehr Umschulungen geben, um den Grundsatz „Rehabilitation vor Pension" weiter auszubauen. Leider findet man keinerlei Details dazu.
Späterer Pensionsantritt soll belohnt werden
Arbeiten über das gesetzliche Antrittsalter hinaus soll belohnt werden. Frauen und Männer die länger arbeiten gehen, müssen bis zu drei Jahre lang nur den halben PV-Beitrag zahlen. Ein weiteres Zuckerl: Die Mindestpension bei langer Versicherungsdauer (mehr als 30 Jahre) wurde auf 1.000 Euro erhöht. Laut SPÖ-Aussendung profitieren über 20.000 Personen – v.a. Frauen, die mehr als 30 Jahre gearbeitet haben, aber trotzdem nur eine kleine Pension bekommen. Diese Maßnahme wird in Zukunft noch große Bedeutung erlangen.
Im nächsten Newsletter berichten wir über eine aktuelle Studie, die zeigt, wie sich die bisherigen Pensionsreformen auf die künftigen Pensionen auswirken werden.
Dazu bringen wir aktuelle Zahlen zum Thema "Wie stark steigt die Lebenserwartung wirklich?" und stellen uns der Frage: "Wie kann man Altersarmut auch in zukünftigen Generationen verhindern?"
Dies ist ein Beitrag aus dem letzten BAV-Newsletter.
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Quellen: Der Standard, Agenda Austria, Statistik Austria, diverse Presseaussendungen
Foto: So schlimm, Aboutpixel.de, Fotograph Tobias Golla