Auswirkungen der IDD auf die Praxis?
B2B-Newsletter > 2019 - Archiv > NL 1/19
Was bedeutet die IDD-Umsetzung für die Praxis? Wo liegen die echten Gefahren?
Um das zu klären, baten wir den auf Versicherungsrecht und die DSGVO spezialisierten Rechtsanwalt Mag. Stephan Novotny um seine rechtliche Einschätzung. Wie sollten Sie sich künftig verhalten? Seinen Teil 1 zur praktischen Betrachtung der IDD finden Sie unten anbei.
Ein ergänzender Nachschlage-Tipp:
Praxishandbuch „Das österreichische Versicherungsvermittlerrecht“
Im Sommer in 10. Auflage erschienen.
Die Umsetzung der DSGVO im Finanz- und Versicherungsmarkt nimmt darin einen großen Raum ein. Details dazu finden Sie hier…
Das Inhaltsverzeichnis können Sie hier herunterladen…
Praxishandbuch „Das österreichische Versicherungsvermittlerrecht“
Im Sommer in 10. Auflage erschienen.
Die Umsetzung der DSGVO im Finanz- und Versicherungsmarkt nimmt darin einen großen Raum ein. Details dazu finden Sie hier…
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Was bedeutet die vorliegende IDD-Umsetzung für die Praxis? Wo liegen die echten Gefahren?
Dazu haben wir mit Mag. Stephan Novotny gesprochen!
Was ist neu? Wo liegen die Gefahren?
Lange war nur das Provisions-Thema in aller Munde und die Nation fürchtete sich davor.
Tatsächlich liegen die wirklichen Veränderungen und neuen Gefahren ganz wo anders. Nämlich bei POG, Zielmarkt, Dokumentation, Aufbewahrungsfristen (die womöglich mit der DSGVO kollidieren und damit das Problem des Nicht-Freibeweisen-Könnens bei behaupteter Fehlberatung einhergehen). Das Provisionsthema kommt eigentlich nur noch dann wieder ernsthaft ins Spiel, wenn die Behörde von Amtswegen die Statusklarheit umsetzt.
Mit all diesen Themen werden wir uns in den nächsten Monaten intensiv beschäftigen müssen. Unten anbei finden Sie erste Informationen und Überlegungen zwecks „Problembewusstsein-Schaffens“.
Wie sieht es nun rechtlich aus?
Österreich hat nach monatelangem Warten nun doch eine nationale Umsetzung der IDD geschafft. Am 28. Dezember wurde die entsprechende Novelle im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Diese können Sie hier herunterladen...
Nach einer sehr kurzen Begutachtungsphase wurde das Gesetz vom Nationalrat Mitte Dezember beschlossen, auch der Bundesrat stimmte noch im alten Jahr zu. Die IDD-Umsetzung führte zu Änderungen in der Gewerbeordnung, im Makler-, Bankwesen-, Finanzmarktaufsichtsbehörden- und Versicherungsaufsichtsgesetz.
Was noch fehlt sind die – etwas missverständlich genannten – Standesregeln. Missverständlich deshalb, weil sich Standesregeln normalerweise eine Berufsgruppe freiwillig auferlegt und daher nicht von allen eingehalten werden. DIESE Standesregeln sind jedoch zwingend und regeln das, was bisher in der Gewerbeordnung in den Paragraphen 137ff zu finden war. Nämlich die Informations- und Wohlverhaltensregeln. Den vorliegenden Entwurf können Sie hier nachlesen...
Provision ok, aber…
Ein Provisionsverbot bringt die IDD nicht. Aber § 1 der Standesregeln lautet:
„Versicherungsvermittler haben gegenüber ihren Kunden stets ehrlich, redlich und professionell in deren bestmöglichem Interesse zu handeln“. Das ist wahrscheinlich die Hauptaussage der IDD. Und nach diesem Prinzip wird die Tätigkeit des Vermittlers – auch im Nachhinein – überprüft werden.
Es gibt also kein Provisionsverbot dank IDD, aber Anwälte sagen schon jetzt voraus, dass im Streitfalle hier argumentiert werden wird, dass nur jenes Produkt vermittelt wurde, wo die höchste Provision zu erwarten war. Tipp: Um das zu verhindern kann nur eine ausführliche Dokumentation angeraten werden (was brauchte der Kunde, was wurde angeboten, was hat der Kunde abgelehnt, usw). Denn nur damit kann man sich von einer behaupteten Fehlberatung freibeweisen.
Zielmarkt
Auch die POG bzw. Zielmarkt-Überlegungen basieren auf obiger „zentralen Vorgabe der IDD“. POG steht für „Product Oversight and Governance (POG)“, das sind Vorgaben für die Steuerung und Aufsicht von Versicherungsprodukten. Aufgrund dieser POG-Vorgaben muss der Versicherer für jedes seiner Produkte den Zielmarkt festlegen, d.h. definieren, für welche Kunden dieses Produkt geeignet ist.
Auch die POG bzw. Zielmarkt-Überlegungen basieren auf obiger „zentralen Vorgabe der IDD“. POG steht für „Product Oversight and Governance (POG)“, das sind Vorgaben für die Steuerung und Aufsicht von Versicherungsprodukten. Aufgrund dieser POG-Vorgaben muss der Versicherer für jedes seiner Produkte den Zielmarkt festlegen, d.h. definieren, für welche Kunden dieses Produkt geeignet ist.
Ziel des Gesetzgebers auch hier ist der Schutz der Konsumenten. In dem man den Vermittlern mitteilt, für wen dieses Produkt geeignet ist, soll vermieden werden, dass ein Kunde ein falsches Produkt erhält. Daher finden Sie praktisch in allen neuen Agenturverträgen den Passus, dass der Vermittler grundsätzlich nur INNERHALB des ZIELMARKTES vermitteln darf.
Nur in Ausnahmefällen darf der Vermittler außerhalb des Zielmarktes vermitteln, wenn ein anderes Produkt für den Kunden und seinen Bedarf besser geeignet ist. Doch diesen Ausnahmefall müssen Sie dokumentieren und an den Versicherer zurückmelden (damit er überprüfen kann, ob seine Zielmarkt-Definition passt oder adaptiert werden sollte).
Dokumentation: Ihr Schutzschild gegen behauptete Fehlberatung!
Bedenken Sie: Sehen Sie nicht nur die Pflicht zur Dokumentation, sondern sehen Sie das ausgefülltes Beratungsprotokoll als Ihren Schutzschild. Dieser wird künftig noch wichtiger als in der Vergangenheit. Nur wenn Sie nachweisen können, dass Sie den Bedarf des Kunden ordentlich erhoben haben und der Weg zum vermittelten Produkt nachvollziehbar ist, können Sie im Streitfall an Hand Ihrer Unterlagen beweisen, dass Sie Ihren Job korrekt gemacht haben. Ob Sie die Online-Tools der Versicherer für diese Tätigkeit nutzen oder sich selbst ein „eigenes Beratungsprotokoll“ erstellen, bleibt Ihre Entscheidung. Aber wie gesagt, Sie müssen immer im besten Interesse des Kunden handeln (und nicht in Ihrem eigenen Interesse). Und das gilt es zu beweisen!
Bedenken Sie: Sehen Sie nicht nur die Pflicht zur Dokumentation, sondern sehen Sie das ausgefülltes Beratungsprotokoll als Ihren Schutzschild. Dieser wird künftig noch wichtiger als in der Vergangenheit. Nur wenn Sie nachweisen können, dass Sie den Bedarf des Kunden ordentlich erhoben haben und der Weg zum vermittelten Produkt nachvollziehbar ist, können Sie im Streitfall an Hand Ihrer Unterlagen beweisen, dass Sie Ihren Job korrekt gemacht haben. Ob Sie die Online-Tools der Versicherer für diese Tätigkeit nutzen oder sich selbst ein „eigenes Beratungsprotokoll“ erstellen, bleibt Ihre Entscheidung. Aber wie gesagt, Sie müssen immer im besten Interesse des Kunden handeln (und nicht in Ihrem eigenen Interesse). Und das gilt es zu beweisen!
Agent/ Makler: Statusklarheit wird notfalls von Amtswegen hergestellt
Bisher konnte es durchaus Sinn machen, sowohl die Gewerbeberechtigung als Agent und Makler zu besitzen. Das lehnt der Gesetzgeber nun ab. Wer sich bis zum Jahresende selbst nicht entscheidet, welches Gewerbe man künftig ausüben will, wird von Amtswegen als Agent eingestuft. Zwar stufen einige Anwälte dies als unzulässigen Eingriff in die Erwerbsfreiheit ein und das wird wahrscheinlich irgendwann durch Höchstgerichte geklärt werden (müssen). Schon vorher sollte man sich aber überlegen, welche Konsequenzen eine Beendigung einer Gewerbeberechtigung auf die Provisionen, Datenspeicherung, DSGVO, etc. hat.
Legen Sie etwa den Agentenschein zurück, dann endet damit Ihr Agenturvertrag mit dem Versicherer. Dann müssen Sie womöglich alle Unterlagen zurückgeben und vernichten, d.h. sie haben damit keine Unterlagen, um sich vom Vorwurf einer Fehlberatung freibeweisen zu können. Derartige Passagen gibt es beispielsweise in den Verträgen zahlreicher großer Versicherer!
Legen Sie etwa den Agentenschein zurück, dann endet damit Ihr Agenturvertrag mit dem Versicherer. Dann müssen Sie womöglich alle Unterlagen zurückgeben und vernichten, d.h. sie haben damit keine Unterlagen, um sich vom Vorwurf einer Fehlberatung freibeweisen zu können. Derartige Passagen gibt es beispielsweise in den Verträgen zahlreicher großer Versicherer!
Dass Statusklarheit den Versicherungsnehmer dafür schützen soll, dass er nicht weiß, welcher Vermittler für ihn abschließt, ist verständlich. Hier ist eine Aufklärung des Versicherungsnehmers sinnvoll. Dass aber diese Umsetzung dazu führt, dass nunmehr ein Versicherungsvermittler, der beide Gewerbeberechtigungen besitzt, in Zukunft nicht mehr eine Agentur in Salzburg und ein Versicherungsmaklerbüro in Linz betreiben darf, ist wohl ein golden plating und ziemlich überschießend. Davon hat auch der Versicherungsnehmer keinen Vorteil mehr. Ob diese Art der Umsetzung nicht die generelle Erwerbsfreiheit einschränkt, ist fraglich und noch zu prüfen. Ansatzpunkt hiefür ist die Frage, ob sich zwei reglementierte Gewerbe in der Gewerbeausübung grundsätzlich ausschließen können und eines davon zwingend ruhend gestellt werden muss.
Für Rückfragen:
MAG. STEPHAN M. NOVOTNY
Rechtsanwalt- Attorney at Law / Akademischer Versicherungskaufmann / Collaborative Law Lawyer
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Weihburggasse 4/2/26, A-1010 Wien
Tel: +43 / 1 / 512 93 37
Fax +43 / 1 / 512 93 37 93
Mob. +43 / 664 / 143 29 11
kanzlei@ra-novotny.at
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