Im ersten Teil dieses Praxis-Beitrags haben wir uns angesehen, was das Telekommunikationsgesetz, kurz TKG von Ihnen verlangt. Dieses Gesetz regelt schon seit langem, unter welchen Bedingungen Sie jemanden anrufen, anfaxen, anmailen dürfen. Zum Erinnern: Briefschreiben geht immer, bei FAX und E-Mail droht das Cold Calling-Verbot.
Seit einigen Jahren kommt nun auch noch die Datenschutzgrundverordnung, kurz DSGVO dazu, die Sie beachten müssen. Daher sehen wir uns an, unter welchen Bedingungen Sie Neu-Kontakte bzw. Kunden kontaktieren dürfen. Und beantworten die Fragen, ob Sie eine ausdrückliche Zustimmung benötigen, ob eine Marketing-Einwilligung nötig ist, ob es einen Unterschied macht, wenn Sie mit dem Kunden schon ewig in Kontakt sind oder nicht…
Und geben Tipps, wie man die täglichen Situationen in der Praxis gesetzeskonform behandelt.
DSGVO, Datenschutzgrundverordnung
Eigentlich gilt die DSGVO bereits seit dem 25. Mai 2018. Damit sollten doch viele Punkte geklärt sein. Leider weist gerade das Thema „Kontaktieren von Kunden und/oder Interessenten“ sehr viele Detail-Aspekte auf, die noch nicht eindeutig geregelt sind. Was u.a. daran liegt, dass die ePrivacy-Verordnung fehlt, die die Details zur elektronischen Werbung regeln sollte. Eigentlich für 2019 geplant, konnte auch die soeben beendete deutsche EU-Präsidentschaft keinen Entwurf erarbeiten, der von allen akzeptiert würde. Man muss daher wohl bis Ende 2021 oder sogar 2022 warten. Möglicherweise wird man bei manchen Fragen auch auf die finale Klärung durch die Gerichte warten müssen.
Wir versuchen dennoch unten anbei, Ihnen die wichtigsten Punkte aufzuzählen und Handlungsanleitungen zu bieten.
Ich höre öfters, dass die DSGVO ein Segen für die Privatpersonen, aber eher ein Fluch für Unternehmen sei. Damit bezieht man sich wohl auf die existenzbedrohenden Strafen (bis zu 4% des weltweiten Konzernumsatzes), aber auch darauf, dass die kostengünstige Direktwerbung z.B. via E-Mail erschwert oder sogar unmöglich gemacht werde. Und wie sieht es wirklich aus?
Um die häufig zu diesem Thema auftretenden Fragen beantworten zu können, teilen wir die Sachlage in zwei Gruppen ein: Nämlich Kunden & Neu-Interessenten (Kalt-Akquise).
A) Kontakt mit Kunden und Umgang mit deren Daten
Klar ist, dass die DSGVO genau vorgibt, wie Sie bei der Speicherung/Verarbeitung von Daten umzugehen haben. Ich erwähne da etwa das Daten-Minimierungs-Gebot (nur so viele Daten speichern, wie es notwendig ist, um Ihre Aufgabe – etwa Auslieferung der Bestellung – zu erfüllen). Davor müssen Sie über Ihre Datenschutzerklärung informieren und etwa zu den Betroffenen-Rechten aufklären (am einfachsten über Ihre Webseite). Dann müssen Sie alles tun, um die Daten zu schützen, etwa TOMs erarbeiten, usw.
Klar ist auch, mit der Einwilligung des Kunden ist (fast) alles erlaubt. Aber was ist in Fällen, wo keine ausdrückliche Einwilligung des Kunden vorliegt?
Wenn ein Kunde ein Produkt oder eine Dienstleistung bei Ihnen kauft, dann kommt ein Vertrag zustande und Sie sind berechtigt, alle Daten zu speichern, die Sie benötigen, um die Bestellung abzuwickeln. Denn haben Sie keine Adresse, können Sie das Buch nicht abliefern. Etc. Daher werden Sie wohl Name, Adresse, Bestell-Datum, Ware, Preis, aber auch Telefon-Nummer und E-Mail-Adresse für eventuelle Rückfragen speichern, also „verarbeiten“.
Oft gestellte Frage zur Kontaktaufnahme wegen Zusatz-Produkt, etc.:
Darf ich einen Kunden, dem ich eine Versicherung vermittelt habe, darüber informieren, dass es nun die Möglichkeit gibt z.B. grobe Fahrlässigkeit einzuschließen? Oder im Falle eines Familien-Zuwachses darüber informieren, unter welchen Bedingungen das Kind mitversichert ist? Oder darf ich ihn darüber informieren, dass er bei mir Auto, Haushalt und Unfall versichert hat, aber es eine Lücke beim Rechtsschutz gibt, usw.
Für mich ist klar – und da spricht auch kein Paragraph der DSGVO dagegen – dass der Vermittler im Zuge der Kundenbetreuung diesen jederzeit kontaktieren darf, egal ob per Telefon, Brief oder E-Mail. Schließlich ist es die Aufgabe des Vermittlers, den Kunden als Versicherungsvermittler für Risiken abzusichern, etc.
Gibt es also einen verbesserten Tarif für die Haushaltsversicherung oder es wurde ein größeres Auto gekauft oder es gibt ein sinnvolles Zusatzprodukt, dann dürften Sie den Kunden diesbezüglich auch weiterhin per Telefon oder E-Mail kontaktieren.
Auch die IDD-Verpflichtung einen Wünsche- und Bedürfnistest durchzuführen, bestätigt diese Ansicht, dass Sie den Kunden kontaktieren dürfen, eigentlich sogar müssen, falls Ihnen eine Lücke in der Absicherung auffällt.
Und es gibt ein Urteil des OLG München vom 15.2.18, Az. 29 U 2799/17 (hier klicken...), das genau diese Rechtsmeinung bestätigt hat. Im Urteil steht sinngemäß, dass der Unternehmer die E-Mail-Adresse im Zuge des Vertrags-Abschlusses erhalten hatte. Aber das Gericht präzisierte, dass die angebotenen Produkte / Dienstleistungen ähnlich sein müssen: „Die Ähnlichkeit muss sich auf die bereits „gekauften“ Waren oder Dienstleistungen beziehen und dem gleichen typischen Verwendungszweck oder Bedarf des Kunden entsprechen“.
Was wohl aus Datenschutz-Sicht gar nicht geht, wäre etwa, dass Sie Ihre Versicherungskunden darüber informieren, dass Sie nun auch etwas komplett anderes, sagen wir Sonnenkollektoren oder Gesundheitsbetten verkaufen. Zwar mögen Ihre Versicherungskunden daran durchaus Interesse haben, aber dennoch dürften Sie sie nicht anrufen, anmailen, anfaxen. Hier wäre wohl die gute alte Post die geeignete Variante. Weil es hier dem Kunden überlassen ist, ob er den Brief öffnet und sie nicht das Telefon / Fax belegen, was oft als Beschwerdegrund in der Vergangenheit genannt wurde. Wie immer im Leben gilt: Wo kein Kläger, da kein Richter. D.h. solange Sie eine sehr gute Kundenbeziehung haben, wird kein Kunde Sie belangen, weil Sie ihm etwas anderes gesandt, angeboten haben. Aber im Extremfall, etwa bei einer gestörten Beziehung – etwa man streitet gerade um eine schlecht performende Fondsgebundene LV – kann es durchaus passieren, dass Dinge behauptet werden („Fehlberatung…“) oder bewusst nach Fehlern gesucht wird („unzulässige Kontaktaufnahme…“). Dann kann die oben beschriebene Werbung für Sonnenkollektoren „ins Auge gehen“.
Newsletter an Bestands-Kunden?
Wenn Sie die Einwilligung zum Newsletter-Bezug vor Inkrafttreten der DSGVO erhalten hatten, mussten Sie auch nach der DSGVO keine ausdrückliche Einwilligung einholen.
Wer aber den Fehler gemacht hatte, nochmals ausdrücklich um Einwilligung zu bitten, vernichtete auf diese Weise 90-95 Prozent des E-Mail-Verteilers. Und kann sich nun nicht mehr auf die konkludente Zustimmung zum Newsletter-Versand auch nach Inkrafttreten der DSGVO berufen. Sondern muss sich mühevoll wieder den Newsletter-Verteiler aufbauen.
Und wie geht man seit dem Inkrafttreten der DSGVO korrekt vor?
Haben Sie die E-Mail-Adresse im Zuge des Vertrages mit dem Kunden erhalten, dürfen Sie Kunden auch ohne ausdrückliche Zustimmung werblich kontaktieren, weil dann sogar die Ausnahme-Regelung des Absatz 3 des § 107 TKG zutrifft.
Wörtlich steht im Absatz 3 des § 107 TKG:
(3) Eine vorherige Einwilligung für die Zusendung elektronischer Post gemäß Abs. 2 ist dann nicht notwendig, wenn
1. der Absender die Kontaktinformation für die Nachricht im Zusammenhang mit dem Verkauf oder einer Dienstleistung an seine Kunden erhalten hat und
2. diese Nachricht zur Direktwerbung für eigene ähnliche Produkte oder Dienstleistungen erfolgt und
3. der Empfänger klar und deutlich die Möglichkeit erhalten hat, eine solche Nutzung der elektronischen Kontaktinformation bei deren Erhebung und zusätzlich bei jeder Übertragung kostenfrei und problemlos abzulehnen und
4.der Empfänger die Zusendung nicht von vornherein, insbesondere nicht durch Eintragung in die in § 7 Abs. 2 E-Commerce-Gesetz genannte Liste, abgelehnt hat.
Achtung: Aus dem obigen Text erkennen Sie, dass alle 4 Bestimmungen zutreffen müssen, damit Sie auch ohne ausdrückliche Zustimmung ein Werbe-Mail senden dürfen.
Weitere wichtige Details zu § 107 TKG haben wir im 1. Teil dieses Beitrags zusammengefasst. Zum Nachlesen hier klicken…
Tipp: Vorsichtig sein sollten Sie, wenn Sie einem Bestandskunden, mit dem Sie bisher nur per persönlichen Besuch oder Telefon kommuniziert hatten, die Einladung zum Newsletter-Bezug senden möchten. Zwar braucht man von Kunden keine Extra-Einwilligung in die Kommunikation per Email an sich. Aber im Streitfall könnte argumentiert werden, dass ein Newsletter-Info-Service nichts mit der Ergänzung des bestehenden Vertrags oder Service zu tun hat.
FRAGE: Manche Versicherer verlangen, dass der Vermittler vom Kunden eine Marketing-Einwilligung unterschreiben lässt. Weil man Kunden aufgrund der DSGVO sonst nicht mehr telefonisch, per mail, etc. kontaktieren dürfe. Stimmt das, d.h. ist das nötig? Sinnvoll?
Wie schon oben ausgeführt, spricht kein Paragraph der DSGVO dagegen, dass der Vermittler im Zuge der Kundenbetreuung diesen jederzeit kontaktieren darf, egal ob per Telefon, Brief oder E-Mail. Schließlich ist es die Aufgabe des Vermittlers, den Kunden als Versicherungsagent für Risiken abzusichern, etc. Also halte ich eine solche Marketing-Einwilligung nicht für nötig, um auf einen verbesserten Tarif, ein zusätzlich passendes Produkt, aber auch auf Probleme oder fehlende Deckungen hinweisen zu dürfen.
Wer aber auf Nummer sicher“ gehen will, kann sich natürlich bereits zu Beginn der Kundenbeziehung das Recht auf Kontaktaufnahme auch für Newsletter- oder sonstige Services einräumen lassen.
Achtung: Die DSGVO kennt ein sogenanntes „Kopplungsverbot“: Das bedeutet, wenn Sie etwa einen Vertragsabschluss an eine Zustimmung zum Newsletter-Erhalt koppeln, dann ist letztere unwirksam, weil nicht freiwillig!
B) Kontakt zu Interessenten, Kalt-Akquise und Umgang mit deren Daten
Unternehmen haben ein „natürliches“ Interesse an neue Kunden heran zu kommen. Wie in Teil 1 dieses Beitrags erläutert, steht dazu der gute alte Brief immer zur Verfügung. Doch diese Marketing-Methode ist teuer und erzeugt nur geringe Aufmerksamkeit beim Empfänger. Wenn 2-3 % der Angeschriebenen ihre Information lesen, dann war es ein gutes Mailing. Hier ist also mit sehr hohen Streuverlust und Kosten zu rechnen.
Telefon, Fax und auch E-Mail sind grundsätzlich wegen des Cold-Calling-Verbots nach dem TKG (Telekommunikationsgesetz) verboten. Details siehe in Teil 1 des Beitrags, hier klicken zum Nachlesen…
Welche Varianten gibt es noch, um an potentielle Kunden legal heran zu kommen?
Klar ist, dass hier eine Einwilligung des Neu-Interessenten vorliegen muss.
Eine ideale Variante ist, wenn Sie durch den potentiellen Kunden angerufen, angemailt und aufgefordert werden, ihm ein Angebot zu legen. Dann dürfen Sie diese Kontaktdaten selbstverständlich speichern und verarbeiten. Also dem Kunden das gewünschte Angebot senden, ihn anrufen, ob es passt, auch mehrmals urgieren. Natürlich können Sie auch fragen, ob man am kostenlosen Newsletter interessiert sei.
Viele Jahre lang war die Teilnahme an Messen, Veranstaltungen, etc. das Mittel der Wahl.
Ob und wie das in Zeiten von Corona weitergeht ist noch nicht vorstellbar. Aber bei solchen Events präsentiert man seine Produkte und Leistung und motiviert die Besucher zum Ausfüllen eines Zettels (etwa um an einem Gewinnspiel teilzunehmen), um damit das Recht zu bekommen, diese Personen in die Datei aufnehmen und mit Werbeinfos versorgen zu können.
Viele Unternehmen nutzen kostenlose Fach-Informationen, Rabatt-Aktionen oder Gewinnspiele, etc. die sie auf die eigene Webseite stellen. Interessiert sich jemand dafür und füllt das entsprechende Formular aus, dann dürfen Sie auch diese Person in Ihre Interessensdatenbank aufnehmen.
Eine Besonderheit sind Bewerbungsunterlagen:
Wenn sich Jemand für einen Job interessiert, den Sie ausgeschrieben haben, dürfen Sie diese Daten speichern, die Person kontaktieren wegen eines Gesprächs, etc. Kommt dieser Bewerber nicht in Frage und Sie sagen ihm ab, sollten Sie nachfragen, ob Sie die Daten weiterhin speichern dürfen oder löschen sollen.
Und falls der Interessent nicht länger interessiert ist – hat er/sie vielleicht zwischenzeitlich einen anderen Job gefunden – müssen Sie die Daten löschen. Aber erst nach exakt 6 Monaten. Der Grund liegt darin, dass sich abgelehnte Bewerber etwa bei der Gleichbehandlungsstelle beschweren und Sie klagen können, wenn der Verdacht besteht, dass das Bewerbungsverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei.
Frage: Darf man überhaupt keine Neu-Interessenten ohne deren Zustimmung kontaktieren?
Die WKO schreibt ihn ihrem Beitrag „Zulässigkeit der Verwendung personenbezogener Daten für Zwecke des Direktmarketings“ (zum Nachlesen hier klicken… ) folgendes: „Die Zulässigkeit der Datenverarbeitung richtet sich nach den allgemeinen Regelungen der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) bzw des österreichischen Datenschutzgesetzes (DSG in der Fassung des Datenschutz-Anpassungsgesetzes 2018.
Hier ist insbesondere hervorzuheben, dass die DSGVO selbst vorsieht, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke der Direktwerbung ein berechtigtes Interesse darstellen kann. Dh die Datenverarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke von Direktmarketingmaßnahmen an bestehende Kunden für eigene Produkte oder Dienstleistungen wäre ohne Einwilligung, gesetzliche Ermächtigung oÄ aufgrund eines berechtigten Interesses des Werbenden rechtmäßig.“
Doch dieses „berechtigte Interesse“ des Unternehmers könnte sogar auch auf Nicht-Kunden ausgedehnt werden. Sieht doch der „Erwägungsgrund 47 DSGVO“ folgendes vor:
„Die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung kann durch die berechtigten Interessen eines Verantwortlichen, auch eines Verantwortlichen, dem die personenbezogenen Daten offengelegt werden dürfen, oder eines Dritten begründet sein, sofern die Interessen oder die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person nicht überwiegen;“
Und endet mit:
„Die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke der Direktwerbung kann als eine einem berechtigten Interesse dienende Verarbeitung betrachtet werden.“
Das soll keine Aufforderung sein, auch ohne Einwilligung Neu-Interessenten zu kontaktieren. Aber dieser Erwägungsgrund zeigt, dass eben noch nicht alles wirklich klar ist. Hier müssen wir auf die oben angesprochene ePrivacy-Verordnung oder auf entsprechende Urteile warten.