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Auswirkungen der IDD auf die Praxis?

B2B-Newsletter > 2019 - Archiv > NL 5/19
Wann ist man als Vertreiber (auch) Hersteller nach IDD?
Und welche Pflichten ergeben sich daraus?
 
Viele Agenten fragen sich, warum im Agenturvertrag steht, dass man (auch) Hersteller gemäß IDD sein kann? Aber auch Makler können Hersteller sein. Wann ist man das nun tatsächlich und welche Pflichten ergeben sich daraus?
Mag. Stephan Novotny, Foto Stephan Huger
 
Damit beschäftigt sich der 4. Teil unserer Serie zur IDD, bei der uns der auf Versicherungsrecht spezialisierte Jurist Mag. Stephan Novotny tatkräftig unterstützt.
 
Teil 3 der IDD-Serie ("Aus- und Weiterbildung nach IDD“).
Teil 2
der IDD-Serie ("Zielmarkt, delegierte Verordnungen“).
Teil 1 der IDD-Serie ("die echte Gefahr der IDD").
Gerne senden wir Ihnen auch das jeweilige PDF zu. Ein Mail mit "Ja zu Info" an g.wagner@b2b-projekte.at genügt und die IDD-Serie kommt zu Ihnen.



Ein ergänzender Nachschlage-Tipp:
Praxishandbuch „Das österreichische Versicherungsvermittlerrecht“
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Wann ist man als Vertreiber (auch) Hersteller nach IDD?
Und welche Pflichten ergeben sich daraus?
 
Viele Agenten fragen sich, warum im Agenturvertrag steht, dass man (auch) Hersteller gemäß IDD sein kann? Aber auch Makler können Hersteller sein. Wann ist man das nun tatsächlich und welche Pflichten ergeben sich daraus?

Das haben wir den Fachjuristen Mag. Stephan Novotny gefragt. Hier seine Antworten.

Mag. Stephan Novotny: Tatsächlich steht in einigen Agenturverträgen ein Passus, der beispielsweise wie folgt lautet:
„Festgehalten wird, dass als Hersteller von Versicherungsprodukten sowohl Versicherungsvermittler als auch Versicherungsunternehmen (als auch gemeinsam) gelten können.“
 
Was bedeutet dieser Satz für die tägliche Praxis?
Kann man ihn einfach ignorieren oder sollte man den vorgelegten Agenturvertrag abändern?
Wann ist man tatsächlich als Vermittler ein Produkthersteller und welche Konsequenzen hätte das für den Vermittler, d.h. welche Arbeiten hat er dann zu erledigen?
 
Da die IDD keinen Unterschied zwischen Agenten und Maklern mehr macht, sondern nur mehr von Versicherungsvermittlern spricht, findet sich diese Passage hinsichtlich „Hersteller“ auch in einigen Agenturverträgen. Wird aber in den allermeisten Fällen nur auf die Makler zutreffen, die häufiger eigene Produkte entwickeln.
 
Ein Versicherungsvermittler gilt dann als Hersteller, wenn er/sie bei der Konzeption oder Entwicklung eines Versicherungsproduktes über Entscheidungsbefugnis verfügt. Also selbstständig die wesentlichen Merkmale und Hauptelemente eines Versicherungsproduktes festlegen kann – einschließlich Deckung, Preis, Kosten, Risiko, Zielmarkt, Entschädigung und Garantierechte.
 
Wo genau die Grenze ist, wird wohl erst in den nächsten Jahren ausjudiziert werden.
Wenn also ein Maklerverbund für seine Kunden eine spezielle Variante der Haushaltsversicherung entwickelt und vertreibt, dann ist man wohl eindeutig Hersteller.
 
Nach meiner Ansicht wird dieser Passus wohl kaum bei Agenten zutreffen.
Um alle Unklarheiten zu vermeiden, sollten Agenten beim Agenturvertrag eine Ergänzung vornehmen lassen: „… sofern diese im Einzelfall vorher ausdrücklich und schriftlich vereinbart wurde…“
 
Die bisherigen Rückmeldungen auf diese Empfehlung seitens der Versicherer fielen positiv aus, d.h. es wurde keine Ablehnung dieses Zusatzes zurückgemeldet. D.h. wir gehen davon aus, dass die Versicherer „damit gut leben können“, da dieser Passus bei Agenten sowieso kaum bis nie zum Einsatz kommen wird.

Ist man Hersteller, dann entstehen umfassende Pflichten:

Dazu hat der Fachverband der Finanzdienstleister in der WKÖ in seinem Artikel zur IDD folgende Aufgaben festgelegt:
 
Als Hersteller ist man verpflichtet, in einem Dokument namens „Grundsätze der Aufsicht und Lenkung“ den Ablauf des Produktgenehmigungsverfahrens festzulegen und diesen den Mitarbeitern zur Verfügung zu stellen.
 
Bei der Konzeption eines Produktes ist auf folgendes zu achten: Wird ein Dritter vom Hersteller zur Konzeption eines Produktes beauftragt, so ist dennoch der Hersteller vollinhaltlich für die Einhaltung des Produktgenehmigungsverfahrens verantwortlich. Der Hersteller hat auch in regelmäßigen Abständen zu überprüfen, ob sein POG (Anmerkung: POG ist die Abkürzung für Product Oversight and Governance, also Aufsicht und Lenkung) noch gültig und aktuell ist.
 
Für jedes Versicherungsprodukt muss ein Zielmarkt definiert und die Gruppe geeigneter Kunden ermittelt werden. Es ist auch möglich eine Gruppe zu definieren, für welche das Versicherungsprodukt nicht geeignet ist. Wenn es für ein Produkt keinen Zielmarkt gibt, darf dieses auch nicht auf den Markt kommen. Wichtig ist, dass auch der Hersteller sicherstellt, dass seine Mitarbeiter über die notwendigen Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen verfügen, um die Produkte an die entsprechenden Kunden verkaufen zu können.
 
Das Produkt ist einer qualitativen und quantitativen Prüfung zu unterziehen, gegebenenfalls beinhaltet die Produktprüfung auch Szenario-Analysen. Ziel ist, zu überprüfen, ob das Produkt über seine gesamte Lebensdauer hinweg, den Bedürfnissen des Kunden entspricht. Der Hersteller selbst entscheidet, in welchen Abständen ein Produkt überprüft wird. Dies ist grundsätzlich abhängig von: Größe, Umfang, Vertragslaufzeit, Komplexität, Vertriebskanäle und externe Faktoren (Änderung geltender Rechtsvorschriften, technologische Entwicklungen, Änderung der Marktlage).
 
Der Hersteller hat die Vertriebskanäle sorgfältig auszuwählen. Diese sollen dem Produkt und dem Zielmarkt entsprechen.
 
Der Hersteller hat auch dafür zu sorgen, dass den Versicherungsvertreibern alle notwendigen Informationen zu den Versicherungsprodukten (Zielmarkt, Kosten, Risiken, Charakteristika des Produktes etc.) zur Verfügung gestellt werden und eindeutig, vollständig und aktuell sind. Ziel der Information ist, dass die Versicherungsvertreiber das Produkt und den Zielmarkt verstehen, den Kunden ermitteln können, für welchen das Produkt nicht geeignet ist und sie im bestmöglichen Interesse des Kunden handeln können.
 
Den Herstellern wird auch eine Überwachungspflicht auferlegt: sie überwachen, ob Versicherungsvertreiber entsprechend den Zielen des Herstellers handeln und ob die Produkte auch am entsprechenden Zielmarkt vertrieben werden. Unklar ist im Moment, wie diese „Überwachung“ aussehen soll. Eine erste Einschätzung des Fachverbands ist, dass die Versicherer die Polizzen dahingehend überprüfen, ob diese dem Zielmarkt entsprechen. Alle Maßnahmen im Rahmen des Produktgenehmigungsverfahrens müssen dokumentiert werden, zu Prüfungszwecken aufbewahrt werden, und den Behörden auf Verlangen zur Verfügung gestellt werden.
(Quelle: Fachverband Finanzdienstleister der WKÖ, die Versicherungsvermittlung und IDD, 07.12.2018)
 
Resümee: Die Pflichten und das Haftungspotential eines Herstellers sind / ist enorm.
Daher sollte man diese Aufgabe ruhig den Versicherungshäusern überlassen.
 
 
Kurz und prägnant die häufig zu diesem Themenkomplex gestellten Fragen:

Frage: Wann gilt ein Vermittler / Vertreiber als Hersteller? Wo ist da die Grenze?
 
Mag. Novotny: Versicherungsvermittler gelten dann als Hersteller, wenn sie bei der Konzeption oder Entwicklung eines Versicherungsproduktes über Entscheidungsbefugnisse verfügen. Von einer solchen wird ausgegangen, wenn die Versicherungsvermittler selbstständig die wesentlichen Merkmale und Hauptelemente eines Versicherungsproduktes festlegen, einschließlich Deckung, Preis, Kosten, Risiko, Zielmarkt, Entschädigung und Garantierechte.
Wenn ein Produkt nur angepasst wird, dann bleibt der Vermittler ein Vermittler.
 
Frage: Wenn der Vermittler / Vertreiber als Hersteller gilt, was ist dann zu beachten?
 
Mag. Novotny: Als Hersteller hat man in einem schriftlichen Dokument „Grundsätze der Aufsicht und Lenkung“ den Ablauf des Produktgenehmigungsverfahrens festzulegen und diesen den Mitarbeitern zur Verfügung zu stellen.
 
Der Hersteller hat in regelmäßigen Abständen zu prüfen, ob sein Produktgenehmigungs-Verfahren noch gültig und aktuell ist.
 
Der Hersteller hat auch für jedes Versicherungsprodukt einen Zielmarkt zu definieren und die Gruppe geeigneter Kunden zu ermitteln. Wenn sich kein Zielmarkt definieren lässt, darf das Produkt nicht auf den Markt gebracht werden.
 
Das Versicherungsprodukt ist darüber hinaus einer qualitativen und quantitativen Prüfung zu unterziehen, gegebenenfalls hat dies auch Szenario-Analysen zu beinhalten.
 
Alle Pflichten kann man in der POG-Verordnung und zwar hier nachlesen…

Frage: Wenn nun Vermittler und Versicherer als Hersteller gelten, wer muss dann was tun? Was sollte man dann als Vertreiber mit dem Versicherer vereinbaren?

Mag. Novotny:
In diesem Falle sind die wechselseitigen Rechte und Pflichten zu klären und vereinbaren.
 
Frage: Treffen mich diese neuen Pflichten als Hersteller auch dann, wenn ich im Bestand ein Produkt habe, wo ich früher (hätte es damals diese Hersteller-Regelung gegeben) auch schon Hersteller gewesen wäre, aber tatsächlich nur Vermittler war?
 
Mag. Novotny: JA. Ich gehe davon aus, dass Sie dann für dieses Produkt auch künftig die Pflichten eines Herstellers treffen. Also wirkt die IDD sozusagen auch rückwirkend….
 
Zusatzfrage: Einige Anbieter antworten bei dieser Frage jedoch, dass das nicht so sei. Und man könne das alte Produkt weiterhin als Vertreiber vermitteln.

Mag. Novotny: Nun, das sehe ich nicht so.
 
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Mag. Stephan Novotny und Mag. Günter Wagner, B2B-Projekte für Finanz- und Versicherungsbranche

 
Für Rückfragen:
MAG. STEPHAN M. NOVOTNY
Rechtsanwalt- Attorney at Law / Akademischer Versicherungskaufmann / Collaborative Law Lawyer
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