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Was ist erlaubt? Entsteht Anspruch auf Ausgleichsanspruch?

B2B-Newsletter > 2017 - Archiv > NL 6/17

Praxis-Kommentar Dr. Susanne Kuen

Kann ein Vertrag einseitig geändert werden? Welche Konsequenzen hat das? Was kann der andere Partner dann tun?
 
Im Versicherungsbereich kommt es vor, dass ein aufrechter Agenturvertrag besteht und dann ein wichtiger Punkt - z.B. die Provisionen-Regelung einseitig geändert wird. Daher wurde die Frage an uns heran getragen: Ist eine solche einseitige Änderung zulässig und wenn ja, welche Möglichkeiten hat der Vermittler in einem solchen Fall?

Dr. Susanne Kuen ist eine auf das Vertriebsrecht spezialisierte Rechtsanwältin und hat schon – insbesondere in Bezug auf den Ausgleichsanspruch – zahlreiche klagestattgebende Urteile für Agenten erwirkt (Details dazu finden Sie hier… ). Sie berät und vertritt ausschließlich auf Seiten der Agenten.

Dr. Susanne Kuen gibt einen Überblick über die Rechtslage zur einseitigen Änderung der Provisionsvereinbarung. Besondere Berücksichtigung finden die Wirksamkeit der Änderung sowie die Entstehung des Ausgleichsanspruches im Falle der deswegen erfolgenden Eigenkündigung des Agenten.


PS: Dieses topaktuelle "Info-Service durch Profis" werden wir künftig öfters anbieten.
Daher: Sollten Sie Fragen haben, die bis dato unbeantwortet scheinen, senden Sie diese an g.wagner@b2b-projekte.at!  

Gastkommentar von Dr. Susanne Kuen
 
Eine einseitige Vertragsänderung kann selbstverständlich nur dann zulässig sein, wenn ein solches Recht bereits im Vertrag vorgesehen ist. Prinzipiell ist es den Parteien eines Vertrages gestattet, einer Partei ein einseitiges Änderungsrecht einzuräumen. Gemäß der Judikatur des Obersten Gerichtshofes (Rechtssatz RS0020079) unterliegt eine einseitige Vertragsänderung der richterlichen Kontrolle jedoch insofern, als eine grob unbillige Änderung unwirksam ist.
 
Einer meiner Mandanten hatte einen Agenturvertrag abgeschlossen, bei dem der Unternehmer einen Teil der Provision nur „bis auf jederzeitigen Widerruf“ zu zahlen verpflichtet war. Nach einiger Zeit widerrief der Unternehmer seine Verpflichtung diese „Sonderprovision“ zu leisten, sodass die Provisionseinnahmen meines Mandanten insgesamt erheblich sanken. Nach kurzer Zeit war der Vertrag für meinen Mandanten überhaupt unrentabel.
 
Da der Unternehmer zu keinen Verhandlungen über eine Erhöhung der verpflichtend zu zahlenden Provision bereit war, löste mein Mandant den Vertrag fristlos auf. Die unsererseits erhobene Forderung nach Zahlung eines Ausgleichsanspruches sowie der Nachzahlung der gekürzten Provision wurden rundweg abgelehnt.
 
Bereits das Erstgericht gab unserer Klage auf Zahlung eines Ausgleichsanspruches und Nachzahlung der gekürzten Provision statt. Die Gegenseite bekämpfte diese Entscheidung bis zum Obersten Gerichtshof – jedoch vergeblich: Der Oberste Gerichtshof (9 ObA 35/09a) judizierte nämlich, dass sich die Zulässigkeit einer Vertragsänderung an der „Austauschgerechtigkeit“ im Einzelfall zu orientieren habe, für die die Interessenlage beider Parteien von Bedeutung sei:
„Dem Vertragsteil, dem die Festsetzung einer Leistung überlassen wird, soll ein Spielraum eingeräumt werden, innerhalb dessen ein (der gerichtlichen Überprüfung zugänglicher) Ermessensfehler nicht vorliegt. Wird jedoch die Ermessensgrenze überschritten, kann die verfehlte – grob unbillige – ‚Preisfestsetzung‘ (hier: Kürzung der Sonderprovision) durch den Richter korrigiert werden (1 Ob 544/88 ua).“
 
Selbst wenn also ein Vertrag ein einseitiges Änderungsrecht enthält, bedeutet dies noch nicht, dass die vorgenommene Änderung jedenfalls zulässig und damit wirksam ist. Vielmehr kommt es auf die konkreten Auswirkungen und die Verhältnismäßigkeit an. Ist die Kürzung als „grob unbillig“ zu bewerten, so ist diese Kürzung unwirksam und der Agent hat Anspruch auf Nachzahlung der Provision.
 
Eine – vertraglich vorgesehene – einseitige Provisionskürzung könnte beispielsweise dann im Rahmen der Ermessensgrenze liegen, wenn diese geringfügig ist oder der Unternehmer eine erhebliche Umsatzsteigerung wesentlich mitverursacht hat. Diese einseitige Änderung könnte dann zwar wirksam sein, doch könnte dem Agenten dadurch dennoch die Möglichkeit eröffnet werden, den Agenturvertrag aus einem Grund zu kündigen, welcher dem Unternehmer zurechenbar ist. Bei Vertragsbeendigung durch den Agenten aus einem dem Unternehmer zurechenbaren Grund entsteht der Ausgleichsanspruch gemäß § 24 Abs 1 iVm § 26d Handelsvertretergesetz.
 
Wie in allen Fällen der Eigenkündigung bzw. –auflösung können die Erfolgsaussichten bezüglich der Durchsetzbarkeit des Ausgleichsanspruches durch die Inanspruchnahme einer Beratung durch eine/n auf das Handelsvertreterrecht spezialisierte/n Rechtsanwältin/Rechtsanwalt vor Ausspruch der Vertragskündigung wesentlich optimiert werden.
 
 

Dr. Susanne Kuen, LL.M.
Rechtsanwältin
 
Stumpergasse 14
1060 Wien
 
T: 01/526 38 97
F: 01/526 38 98



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