B2B-Projekte für Finanz- und Versicherungsbranche Mag. Günter Wagner
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Kanzlei Neumayer, Walter & Haslinger zu den Folgen für Kunden und Vermittler

B2B-Newsletter > 2017 - Archiv > NL 10/17
Dr. Haslinger: Was bedeutet das Aus für ewiges Kündigungsrecht?
Für Konsumenten Verluste, für Vermittler Haftungsrisiken und Rückzahlung Provision!

Zwar wurde der Gesetzesentwurf heute von der Tagesordnung des Finanzausschusses genommen. Doch das bedeutet nicht, dass damit das Vorhaben gänzlich zu Grabe getragen wurde. Daher beleuchten wir, was dieses Gesetz für Konsumenten und Vermitler im Detail bedeuten würde!

Zur
Ausgangslage:
 
Aufgrund eines im Jahr 2013 ergangenen Urteils des EuGH (19.12.2013, C-209/12, das Urteil können Sie hier nachlesen...) haben europäische Konsumenten bei fehlerhaften oder überhaupt fehlender Belehrung das Recht, ohne Angabe von Gründen von einer nicht gewünschten Lebensversicherung zurückzutreten.
Dieses Rücktrittsrecht ist unbefristet. Auch in Österreich hat der Oberste Gerichtshof im Jahr 2015 diese Rechtsansicht noch einmal bestätigt.


Ein von der ÖVP/SPÖ am 20.09.2017 – somit noch vor den Wahlen – im Parlament eingebrachter Gesetzesentwurf sieht gravierende Änderungen vor, welche das Rücktrittsrecht bei nicht mangelhaften Rücktrittsbelehrungen deutlich einschränken soll.

Grund genug, um mit dem auf Bank- und Versicherungsrecht spezialisierten RA Dr. Wolfgang Haslinger, LL.M., um herauszufinden, welche Rechtsfolgen dieses Gesetz für die Konsumenten, aber auch Vermittler hätte.

Anmerkung: Dr. Haslinger ist per Dez.21 unter folgenden neuen Kontaktdaten erreichbar:
A-1090 Wien, Währingerstraße 3/8
Mobil: +43 / 664 999 470 83
http://www.ra-haslinger.at
e-mail: office@ra-haslinger.at
B2B: Herr Dr. Haslinger, zu aller erst: Was hat es mit dem Gesetzesentwurf auf sich? Wie beurteilen Sie den Plan, das Kündigungsrecht einzuschränken?
 
Dr. Haslinger: Die große Koalition hat einen Antrag auf Novellierung des Versicherungsvertragsgesetzes (VersVG) eingebracht mit der Absicht, das Rücktrittsrecht von Konsumenten massiv einzuschränken. Hierdurch werden die durch den Gesetzgeber geschaffenen Rücktrittsrechte  eingeschränkt. Man könnte meinen, das Gesetz solle dazu dienen, Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes und des Obersten Gerichtshofs „auszuhebeln“. Schließlich würde die Novelle dazu führen, dass in Zukunft aufgrund von mangelhaften oder unterbliebenen Rücktrittsbelehrungen der Versicherer die Versicherungsnehmer im Hinblick auf die Möglichkeit einer Rückabwicklung zeitlich eingeschränkt werden.
 
B2B: Wie sah/sieht die Rechtslage bisher aus?

Dr. Haslinger: Die Rechtslage und Judikatur sieht bislang vor, dass – sofern Versicherungsnehmer falsch oder gar nicht belehrt worden sind – unbefristet, sohin lebenslang, den Rücktritt von der Lebensversicherung erklären konnten. Hierbei haben die österreichischen Gerichte anerkannt, dass die Versicherungsnehmer nicht nur den Rückkaufswert ausbezahlt bekommen, sondern auch, dass Abzüge für Kosten (Vermittlungsprovision) zu unterbleiben haben und der Versicherungsnehmer auch die Prämie mit vierprozentiger Verzinsung ab Zahlung zurückbekommt.

B2B: Welche Lebensversicherungen wären nun von der Gesetzesänderung betroffen?

Dr. Haslinger: Die neue Regelung trifft (i) zukünftige, (ii) bereits bestehende und (iii) schon beendete Verträge. Betroffen sind vor allem Lebensversicherungen aus den 90er Jahren bis nach der Jahrtausendwende. Hierbei sind hauptsächlich fondgebundene Lebensversicherungen betroffen.

B2B: Welche Änderungen sind nun durch die neue Gesetzesnovelle angedacht?

Dr. Haslinger: Durch die im Nationalrat eingebrachte Gesetzesvorlage ergibt sich eine völlig neue Situation, da das Rücktrittsrecht eingeschränkt werden soll. Das Rücktrittsrecht soll nicht mehr unbegrenzt gelten; das bedeutet, dass wenn der Versicherungsvertrag beendet ist, soll ein Rücktrittsrecht wegen mangelhafter oder unterbliebener Belehrung nur mehr binnen 30 Tagen nach Vertragsablauf möglich sein, danach ist ein Rücktritt nicht mehr möglich. Noch dazu sieht die Gesetzesänderung vor, dass selbst bei Rücktritt (innerhalb der 30 Tage) die Veranlagungsverluste bei fondgebundenen Lebensversicherungen vom Rückzahlungsbetrag abgezogen werden können, sohin zulasten des Versicherungsnehmers gehen.

B2B: Wie sehen Sie die Vereinbarkeit dieser Novelle mit dem geltenden Europarecht?

Dr. Haslinger: Die Novelle ist – schon vor dem Hintergrund der Entscheidung des EuGH im Jahr 2013 – europarechtswidrig, zumal schon vom Grundsatz des effet utile des EU Rechts, wonach die Verbraucherrechte effektiv zu schützen sind, abgewichen wird. Zudem ist der Eingriff in das Gestaltungsrecht des Versicherungsnehmers meiner Meinung nach ein unzulässiger verfassungswidriger Eingriff des Gesetzgebers in das Privatrecht.

B2B: Was ist Ihrer Meinung nach der Hintergrund dieser Gesetzesänderung?

Dr. Haslinger: Es wird hier der Versuch unternommen, die Interessen der Versicherer mit dem Vorwand zu stärken, Klarheit darüber schaffen zu wollen, bis wann der Rücktritt von einem beispielsweise schon beendeten Vertragsverhältnis möglich sein soll. Man muss allerdings kein Jurist sein, um zu erkennen, dass der Vorteil dieser Gesetzesänderung klar bei den Versicherern liegt: Diese wollen nicht mehr Gefahr laufen, dass Versicherungsnehmer wegen alten Lebensversicherungsverträgen, in welchen eine Rücktrittsbelehrung nur unzureichend erfolgt ist, noch Jahre/Jahrzehnte später den Rücktritt vom Vertrag erklären können.

B2B: Beleuchten wir die Auswirkungen auf die Vermittler durch das geplante Gesetz.
Besteht etwa Gefahr, dass bereits bezogene Provisionen zurückgezahlt werden müssen?

Dr. Haslinger: Nicht nur, dass die Versicherungsnehmer von Alt-Verträgen von der geplanten Gesetzesänderung unmittelbar betroffen sind, werden die (geplanten) Änderungen auch Vermittler treffen. Im Zuge der Gesetzesänderung ist geplant, dass im Falle eines Rücktrittes wegen Fehlerhaftigkeit der Rücktrittsbelehrung des Versicherers(!) auch die Provisionen anteilig zurückgezahlt werden sollen, und dies noch dazu bis zu einem Haftungszeitraum von 10 (!) Jahren. Dies stellt – gegenüber der jetzigen/„alten“ Rechtslage -  eine gravierende Änderung da: Bislang ist davon auszugehen, dass  - bei Alt-Verträgen - selbst im Fall eines Rücktrittes des Versicherungsnehmers wegen unzureichender Rücktrittsbelehrung Vermittler ihre Provisionen nicht zurückzahlen müssen (sofern keine diesbzgl. gesonderte Vereinbarung getroffen wurde).

B2B: Besteht eine Informationspflicht der Vermittler, müssen sie also betroffene Kunden über die beabsichtigte Änderung informieren? Könnte man hier sogar von einer „Haftungsfalle“ sprechen?

Dr. Haslinger: Um den Pflichten eines Vermittlers zum „BEST-ADVISE“ nachzukommen bzw. um nachfolgende Haftungsfragen schon im Keim zu ersticken, ist es aus Sicht der Vermittler jedenfalls empfehlenswert und ratsam, den direkten Kundenkontakt im Sinne einer entsprechenden Aufklärung hinsichtlich der neuen Gesetzeslage zu suchen und die Kunden darüber zu informieren.

Denn die finanziellen Ergebnisse können sehr stark auseinander klaffen: Zwischen der Rückzahlung nach jetzigem Gesetz "eingezahlte Prämien + 4 % Zinsen" und jener nach dem geplanten Gesetz (nur mehr den "Fondswert") kann ein dramatischer Unterschied von ein paar Tausend Euro liegen!
 
Ich denke, dass diese finanziellen Nachteile viele Konsumenten motivieren könnten, nachträglich die Vermittler zu verklagen, wenn man nicht rasch und ausdrücklich auf die Folgen des neuen Gesetzes verwiesen wurde!

B2B: Was empfehlen Sie nun den Konsumenten?
 
Dr. Haslinger: Wir empfehlen jenen Versicherungsnehmern, welche ihre Lebensversicherungen bereits vor Jahren durch Rückkauf(Kündigung) aufgelöst haben sowie jenen Versicherungsnehmern, welche eine aufrechte Lebensversicherung haben, noch vor der bevorstehenden Kundmachung des neuen Gesetzes am 12.10.2017, somit noch vor In-Kraft-Treten dieses Gesetzes, den Rücktritt von dem Lebensversicherungsvertrag zu erklären, wenn es Hinweise auf falsche oder fehlerhafte Belehrung gegeben hat. Für eine Beurteilung, ob das zutrifft, steht unsere Kanzlei gerne zur Verfügung.

Für jene Versicherungsnehmer, welche ihre Lebensversicherung beispielsweise schon vor einigen Jahren durch Kündigung aufgelöst haben, wird sohin zu Rechtssicherheit dahingehend verholfen, als dass sie noch vor dem vermutlichen Stichtag zum 12.10.2017 ihren Rücktritt erklärt haben und dieser daher noch nach „alter“ Rechtssache zu beurteilen ist (und sohin auch rechtswirksam ist, da ja eine unbefristete Rücktrittsmöglichkeit bis dato bestand).

Hierzu haben wir allen betroffenen Versicherungsnehmern auf unserer Homepage, http://www.nwhp.at, ein Musterrücktrittschreiben zur Verfügung gestellt, welches ab nun jederzeit abgerufen werden kann (zum Dokument kommen Sie hier...). Sollten sich in der Folge Versicherungsunternehmen weigern diesen Rücktritt Folge zu leisten, stehen wir als Experten gerne zur Verfügung betroffenen Versicherungsnehmern zu ihrem Recht zu verhelfen bzw.  - nach Erhalt der Vertragsunterlagen  - diese dahingehend, zu überprüfen, ob Versicherungsnehmer unzureichend über ihre Rücktrittsrechte im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses aufgeklärt worden sind
 
Anmerken möchte ich - der Vollständigkeit halber - noch, dass Risikoabschläge für den Ablebensschutz von den eingezahlten Prämien schon abzuziehen sind!

Vielen Dank für das Gespräch!
 

Die Rechtsexperten der auf Finanz- und Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwaltskanzlei NEUMAYER, WALTER & HASLINGER stehen Ihnen gerne zur Verfügung.

Baumannstraße 9/11, 1030 Wien, rechtsanwalt@neumayer-walter.at, Tel 01/712 84 79, www.nwhp.at

Anmerkung: Dr. Haslinger ist per Dez.21 unter folgenden neuen Kontaktdaten erreichbar:
A-1090 Wien, Währingerstraße 3/8
Mobil: +43 / 664 999 470 83
http://www.ra-haslinger.at
e-mail: office@ra-haslinger.at
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