B2B-Projekte für Finanz- und Versicherungsbranche Mag. Günter Wagner
Counter / Zähler
Direkt zum Seiteninhalt

Erkenntnisse aus dieser dramatischen Insolvenz für Vermögensberater und Wertpapierunternehmen

B2B-Newsletter > 2018 - Archiv > NL 1/18

Praxis-Kommentar Dr. Herbert Samhaber

Was können Vermittler und Wertpapierfirmen daraus lernen?
 
Seit einigen Tagen ist die Insolvenz der Wienwert Holding in aller Munde. Laut FondsProfessionell bangen Anleger um 58 Millionen Euro.
Welche Chancen haben Anleger nun? Dazu haben wir die Kanzlei Neumayer, Haslinger & Partner kontaktiert.
Deren Beitrag können Sie hier nachlesen...

Welche Lehren können Berater und Wertpapierfirmen aus diesem Fall ziehen, um künftige Probleme zu vermeiden? Dazu haben wir den Gerichtssachverständigen Dr. Herbert Samhaber um einen Gastkommentar gebeten.

PS: Dieses topaktuelle "Info-Service" werden wir künftig öfters anbieten.
Daher: Sollten Sie Fragen haben, die bis dato unbeantwortet scheinen, senden Sie diese an g.wagner@b2b-projekte.at!

Hier folgt nun der Gastkommentar von Dr. Samhaber:
 
Die Lehren aus der Wienwert-Pleite für Finanzdienstleister & Wertpapierunternehmen

Die Erkenntnisse aus dieser dramatischen Insolvenz für Vermögensberater und Wertpapierunternehmen möchte ich punktuell wie folgt zusammenfassen:

Das Wichtigste vorab:
Lesen Sie sich die Emissionsprospekte (gemäß Kapitalmarktgesetz-KMG etc.) durch.  Mir ist sehr bewusst, das ist viel Arbeit und braucht Zeit. Falls es keine geprüften und von der FMA gebilligten Prospekte gibt, stellen Sie die Frage: „Weshalb?“.
 
Ein Vermögensberater bzw. Wertpapierunternehmen kann bei grober Fahrlässigkeit auch für Prospektaussagen haften. Es ist ohne Zweifel grob fahrlässig sich Emissionsprospekte nicht durchzulesen.

Durch das Studium der Prospekte resultierende Fragen sollten unbedingt vorab gestellt werden – wie im gegenständlichen Fall:
 
  • Ist die Emittentin verpflichtet, das von den Anleihegläubigern erhaltene Kapital in Immobilien zu investieren? Ist eine direkte Verknüpfung des Kapitals mit einem/mehreren Liegenschaftsprojekt/en gegeben?
  • Kann die Emittentin das eingesammelte Anleihekapital (auch) zur Tilgung bestehender Anleihen verwenden?
  • Ist es der Emittentin möglich, das Anleihekapital in „Beteiligungsunternehmen“ zu investieren?
  • Wie sieht der Treuhandvertrag zwischen Anlagengläubiger und Schuldnerin aus?
  • Besteht ein direktes Vertragsverhältnis zwischen Treuhänder und Anlagegläubigern?
  • Besteht die Möglichkeit das eingesammelte Geld in andere Gesellschaften das Geld zu investieren? Dies wäre ein deutliches Indiz für den Blind-Pool-Charakter der Emission.
  • Besteht ein Rating für das emittierende Unternehmen und eine unabhängige Risikoanalyse?
  • Besteht ein gemeinsamer Pfandrechtspool mit anderer Anleihen auf die die Risiken der Anleihegläubiger übertragen werden? Dies kann in der Regel keiner Risikostreuung entsprechen, sondern einer Hinzunahme von nicht mit der Anleihe (unmittelbar) zusammen hängenden Risiken.
  • Ein erhöhtes Risikopotential kann sich durch mögliche Interessenskonflikte der Vorstandsmitglieder, die mittelbar Aktionäre der Emittentin sind, ergeben. Das Konfliktpotential kann sich durch diese Personalunion zu Lasten der Emittentin erhöhen.
  • Auf eine mögliche strukturelle Nachrangigkeit der Anleihe gegenüber den anderen Finanzierungsformen (z. B. Hypothekardarlehen und Pfandrechten von Kreditinstituten) ist einzugehen.
  • Gibt es einen jährlichen Rechenschaftsbericht (gemäß KMG muss dieser für „Investitionen“ in Immobilien bei Prospektpflicht bis 30. Juni jeden Jahres vorhanden sein)?
  • Bei einem vorhandenen (KMG-)Prospekt und (KMG-)Rechenschaftsbericht unterliegt jegliche werbliche Äußerung der Prüfung hinsichtlich Prospektübereinstimmung. Ein Prospekt ist auch zu warten, d. h. maßgebliche Änderungen müssen in Form eines Zusatzprospektes veröffentlicht werden.

Conclusio:
Das genaue Durchlesen der vorhanden Prospekte und Unterlagen ist zwar kein Allheilmittel aber frei nach Goethe: „Wer frägt und fragen kann, hat die halbe Lösung.“
 
Private Bemerkung:
 
„Wer als Finanzdienstleister nicht Fragen stellen kann bzw. nicht frägt“, wird früher oder später die Auswirkungen der nicht vorhandenen Informationen gegenüber seinen Kunden verantworten müssen!

Dr. Herbert Samhaber
 

Hinweise: Ein Anspruch auf universelle Gültigkeit der Inhalte des gegenständlichen Beitrags besteht nicht. Produkte und Dienstleistungen können andere Eigenschaften haben, sodass angeführte Beispiele gegebenenfalls nicht zutreffen können. Jeder Einzelfall ist gesondert zu betrachten. Zur Wahrung des Schriftbildes wurde auf das Gendering von Formulierungen verzichtet. Der Autor übernimmt keine Haftung für die Inhalte.
.


Dr. Herbert Samhaber

  • Allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für Wertpapiergeschäfte und Vermögensberatung

  • Vorsitzenden des Fachausschusses Wertpapierunternehmen in der WKO

  • Vorstandsmitglied der Sparte Information und Consulting in der WK Oberösterreichs

  • Fachgruppenobmann der Finanzdienstleister in der WK Oberösterreichs

  • Fachprüfer für Kreditvermittlung und Vermögensberatung

  • Universitätslektor für Kapitalmarktrecht und Wertpapieranalyse

  • Vorstandsvorsitzender der Dr. Samhaber & Partner Vermögensverwaltungs AG

  • Informationen zu Dr. Samhaber und der Dr. Samhaber & Partner Vermögensverwaltungs AG, sowie Kontaktdaten finden Sie unter: www.sp-ag.at


Foto zur Verfügung gestellt


Zurück zum Seiteninhalt