Können 2 Unternehmer etwas anders vereinbaren, als z.B. in österreichischem Recht vorgeschrieben ist?
B2B-Newsletter > 2017 - Archiv > NL 2/17
Rechtswahl und Gerichtsstand bei Verträgen mit z.B. ausländischen Versicherungsunternehmen
Dürfen zwei Unternehmer etwas vereinbaren, womit das Recht des einen "ausgehebelt" werden würde?
Nein. Warum das so ist, erklärt Mag. Novotny in seiem Kommentar.
Tipp: EU-Recht bestimmt, dass Agentur- bzw. Maklerverträge als Vertrag über Dienstleistungen gelten und diese unterliegen dem Recht des Staates, in dem der Dienstleister (Agent, Makler) seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Rechtswahl und Gerichtsstand bei Agentur-/Maklerverträgen mit ausländischen Versicherungsunternehmen (exemplarisch aus Anlass-Grund gewählt)
Beim Abschluss von Agenturverträgen mit Versicherungsunternehmen, die ihren Sitz im Ausland haben, und ihre Tätigkeit auf Österreich erstrecken, stellt sich beim Abschluss von Agenturverträgen unter anderem die Frage, welches Recht und welcher Gerichtsstand vereinbart werden kann und soll. Da sich beim Abschluss von Versicherungsagenturverträgen zwei Unternehmer gegenüber stehen, kommen verbraucherschutzrechtliche Normen nicht in Betracht.
In der Folge ein Überblick, wo die Grenzen der rechtlich zulässigen Vereinbarungen liegen.
Geprüft wird hier lediglich das Verhältnis zwischen dem Versicherungsunternehmen und dem Versicherungsagent, das heißt nicht die Rechtsstellung zu den Versicherungsnehmern und auch nicht die Frage, welchen öffentlich-rechtlichen Regelungen (wie zum Beispiel der Gewerbeordnung) der Versicherungsagent unterliegt, weil dies mit den Agenturverträgen, also dem Rechtsverhältnis zum Versicherungsunternehmen, nichts zu tun hat.
Ohne explizite Regelung im Agenturvertrag über Rechtswahl und Gerichtsstand würden subsidiär die gesetzlichen Regelungen des internationalen Privatrechts zur Anwendung gelangen. Der Gerichtsstand würde sich daher aus der europäischen Gerichtsstandverordnung EuGVVO und das materielle Recht der Rom I-VO ergeben.
Nicht verwechselt werden darf die Frage des anwendbaren Rechts in Agenturverträgen mit der Regelung über das anwendbare Recht für Versicherungsverträge in Art 7 Rom I-VO, welche nicht auf das Verhältnis zwischen Agenten und Versicherungsunternehmer anwendbar ist.
Geht man von den rechtlichen Regelungen des Art 4 Abs 1 Rom I-VO aus, so wäre ein Agenturvertrag, ebenso wie Maklerverträge, ein Vertrag über Dienstleistungen. Diese unterliegen dem Recht des Staates, in dem der Dienstleister, also hier der Agent, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Hat der Agent/Makler daher seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich, wäre österreichisches Recht anwendbar, und zwar ohne explizite rechtliche Regelung im Vertrag.
Um diese nicht ganz einfache Konstruktion für Fälle des internationalen Privatrechts zu ersparen, finden sich in derartigen Verträgen regelmäßig Rechtswahlklauseln.
Es stellt sich dabei die Frage, ob und in wieweit die Autonomie der Vertragsparteien reicht, um ausländisches EU-Recht, beispielsweise deutsches Recht, zu vereinbaren. Schließlich wäre dies dann eine Abweichung von der oben dargestellten gesetzlich vorgesehenen Regelung.
Neben allfälliger Sittenwidrigkeit, die hier a priori nicht in Frage kommt, stehen einer Rechtswahlvereinbarung nur zwingende gesetzliche Bestimmungen entgegen. Dies bedeutet, dass trotz einer durchaus zulässigen Vereinbarung ausländischen Rechts jedenfalls die zwingenden inländischen gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere des Handelsvertretergesetzes zu berücksichtigen sind.
Diese zwingenden Bestimmungen sind beim Agenten in § 27 Handlungsvertretergesetz wie folgt geregelt:
(bei Maklern müsste man das Maklergesetz entsprechend berücksichtigen, etc.).
(bei Maklern müsste man das Maklergesetz entsprechend berücksichtigen, etc.).
§ 4 Errichtung einer schriftlichen Vertragsurkunde
§ 5 Pflichten des Handelsvertreters
§ 6 Unterstützungspflichten des Unternehmers
§ 9 Abs 2 späteste Zeitpunkt des Entstehens des Provisionsanspruchs
§ 9 Abs 3 Entfall des Provisionsanspruchs
§ 12 Abs 1 angemessene Entschädigung bei Verhinderung am Verdienst
§ 14 Abrechnung der Provision
§ 15 Fälligkeit der Provision
§ 16 Abs 1 Recht auf Buchauszug/alle Auskünfte
§ 16 Abs 2 Recht auf Bucheinsicht
§ 21 Abs 1 Mindestkündigungsfristen
§ 21 Abs 3 ,,Fristenparität“ bei Kündigung
§ 23 Ansprüche bei vorzeitiger Auflösung
§ 24 Anspruchsausgleich
§ 26 Abs 2 Schadenersatzansprüche bei Konkurs des Unternehmens
§ 26b Abs 2 Entstehen/Entfall des Provisionsanspruchs des Versicherungsvertreters
§ 26b Abs 4 Abrechnung/Fälligkeit des Provisionsanspruchs des Versicherungsvertreters
§ 26c Abs 1a Recht auf 50% der Folgeprovision
§ 26d Ausgleichsanspruch des Versicherungsvertreters
Sofern auch in anderen Gesetzesbestimmungen für das Verhältnis zwischen dem Versicherungsunternehmen und dem Versicherungsagenten anwendbare zwingende Regelungen im österreichischen Recht bestehen, wären auch diese bei Vereinbarung ausländischen Rechts zu berücksichtigen.
Was heißt das in der Praxis?
Sinnvollerweise sollte für in Österreich agierende Versicherungsvertreter österreichisches Recht in den Agenturverträgen als Rechtswahl vereinbart werden, um nicht Regelungen aus verschiedenen Rechtssystemen berücksichtigen zu müssen.
Dies auch vor dem Hintergrund der Anwendbarkeit des Rechts bei Streitigkeiten: Unabhängig davon, ob als Gerichtsstand ein österreichischer Ort oder der Sitz des ausländischen Versicherungsunternehmens vereinbart wird, haben die jeweiligen Gerichte das vereinbarte Recht anzuwenden. Wird österreichisches Recht vereinbart, hat beispielsweise auch ein deutscher Richter, wenn der Gerichtsstand in Deutschland gelegen ist, österreichisches Recht anzuwenden. Die praktische Anwendbarkeit ausländischen Rechts bei Gerichten – und dies gilt auch für die Anwendung deutschen Rechts in Österreich – hängt auch von Faktoren wie Ausstattung der Gerichtsbibliothek, Bewandtnis des Richters im ausländischen Recht und nicht zuletzt jener der vertretenden Anwälte ab. Bei aller unbestritten vorhandenen Kompetenz ist der Faktor „Erfahrung in der praktischen Anwendung“ nicht zu unterschätzen und sollte der auch der Jurist bei „seinen Leisten“ bleiben (dürfen).
Es ist daher aus Sicht des Autors dringend anzuraten, hier die vom internationalen Privatrecht der Rom I-VO vorgesehene Anwendung in der Praxis zu übernehmen und bei Versicherungsagentenverträgen über Wunsch des Versicherungsvertreters das Recht jenes Staates als Rechtswahl zu vereinbaren, in welchem der Versicherungsagent seinen Sitz hat. Auch als Gerichtsstand sollte der Sitz des Versicherungsagenten vereinbart werden. Es wird für das Versicherungsunternehmen einfacher sein, sich durch einen Anwalt vor Ort vertreten zu lassen, als umgekehrt. Schon aus Gründen der Fairness sollte daher der Gerichtsstand am Sitz des Versicherungsagenten gewählt werden.
RA Mag. Stephan Novotny
Weihburggasse 4/2/26