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AWD akzeptiert Vergleich mit VKI über 11,1144 Mio. Euro

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Die Zukunft der Anlegerklagen. Wie geht’s weiter?


In den letzten Jahren gab es eine Fülle von Anlegerklagen, die die Zivilgerichte überlasten. Meinl, AWD & Co lassen Rechtschutzversicherer nachdenken. Und auch die EU denkt über diesen Themenkomplex nach.

AWD-Nachfolger Swiss Life Select verhandelte in den letzten Wochen mit dem VKI, dem Verein für Konsumenteninformation. Mediation statt Prozess war das Motto, wie der VKI auf seiner Homepage schreibt.

Wie schon vor dem Sommer in unserem Newsletter berichtet (hier nachlesen…) schlug der Richter damals vor, über den Sommer die Möglichkeiten eines Vergleiches zu klären. Bevor dann Anfang September der eigentliche Prozess wegen des Vorwurfs der systematischen Fehlberatung begonnen hätte. Dieser Wink mit dem Zaunpfahl hat gewirkt.
Laut Bericht im gestrigen FondsProfessionell hat sich Swiss Life mit dem VKI auf eine Vergleichssumme von 11,1144 Mio. Euro geeinigt. Der VKI hatte im Namen von ca. 2.500 Kleinanlegern fünf Sammelklagen eingebracht hat.
Von obiger Summe fließen etwa sieben Millionen Euro an die Anleger – die Differenz entfalle auf Verfahrenskosten. Die Anleger erhielten damit ein knappes Drittel ihres Verlustes ersetzt.

Basis für die Einigung war eine Schadenssumme von 23 Mio Euro. Der entstand vorwiegend durch den Kursverlust von Immofinanz-Aktien (basierend auf einem Kurs von 3,103 Euro), die AWD damals empfohlen hatte.
"Mit dieser Lösung sind wir sehr zufrieden, weil sie rasch ist und weil der VKI dadurch an die Verbraucher rund dreißig Prozent bezogen auf den Differenzschaden auszahlen kann", schreibt Dr. Josef Kubitschek, Geschäftsführer des VKI auf der VKI-Homepage.

Diesen Vergleich müssen die Geschädigten nun annehmen, auch wenn Ihnen die gebotene Summe zu gering erscheinen sollte. Damit sind sämtliche Ansprüche aus dem Sammelklage-Verfahren abgegolten. Doch angesichts des Alters zahlreicher Geschädigter und der Gefahr, dass ein Prozess vielleicht noch Jahre gedauert hätte, hat sich der VKI zum Vergleich entschlossen.

Die Zukunft der Sammelklagen – Österreich und EU denken nach!

Gehen wir vom aktuellen Fall einen Schritt zurück. Die Finanzkrise und die zahlreichen Schadensfälle haben offensichtlich eine (Rechts-)Lücke aufgedeckt. Sammelklagen kennt die österreichische Rechtsordnung nicht. So argumentierte z.B. AWD lange mit dem Argument „Sammelklagen seien in Österreich nicht zulässig" vor Gericht. Erst der OGH entschied heuer im März, dass diese Sammelklagen sehr wohl zulässig sei.
Dennoch hat die momentan gewählte Form – Abtretung der Ansprüche an einen Verein/Prozess-Finanzierer einen schlechten Ruf: Man spricht davon, dass durch dieses System nur Gutachter, Anwälte, Prozess-Finanzierer gewinnen würden.

Auch der schlechte Zugang zum Recht wird zu Recht kritisiert.
Schon in der vorigen Legislaturperiode sollte eine gesetzlich geregelte Gruppenklage vorgelegt werden.
Der Entwurf der damaligen Justizministerin Maria Berger lag bereits vor der Finanzkrise am Tisch.
Wurde aber wegen massivem Widerstand der Wirtschaftskammer entsorgt, wie der Standard unlängst berichtete (12. Juni 2013).

Dr. Wilhelm Rasinger, Präsident des Anlegerverbands IVA, forderte heute neuerlich, dass in Österreich der Zugang zu Recht erleichtert werde. Er verlangt eine Gesetzesänderung, wonach Gruppenklagen erlaubt werden sollen.

„Die Presse" grub gestern das Regierungsprogramm der großen Koalition aus dem Jahr 2008 aus, wo es zum Thema heißt: „Durch Gruppenklagen sollen gleichartige Ansprüche mehrerer Betroffener unter Wahrung der Klageansprüche des Einzelnen leichter durchsetzbar werden."
2009 hat dann Minister Hundstorfer ein Papier zur „Evaluierung der österreichischen Sammelklagen vorgelegt". Das die Problematik gut zu Papier bringt. Dieses können Sie hier nachlesen….

Anleger, die einen Schaden geltend machen wollen, haben im Regelfall zwei Möglichkeiten: Sie können sich an einen Anwalt wenden. Doch das ist nur sinnvoll, wenn eine Rechtsschutzversicherung die Kosten übernimmt. Was die Anbieter dieser Versicherungen angesichts der Fülle von Klagen schon „nachdenken" lässt.

Und es besteht die Möglichkeit, das Anbot eines Prozessfinanzierer anzunehmen. Er kommt für die Kosten auf und trägt auch das Risiko. Im Erfolgsfall oder bei einem Vergleich erhält der Prozessfinanzierer einen Teil des Erlöses – meistens sind es 30 Prozent. Was wieder von vielen als zu hoch kritisiert wird. Siehe oben.

Auch die EU wälzt Überlegungen zu dieser schwierigen Materie.
Vor knapp 2 Monaten hat die EU-Kommission die Mitgliedstaaten aufgerufen, kollektive Rechtschutzverfahren einzuführen.

Damit sollen „Bürger und Unternehmen ihre durch EU-Recht garantierten Rechte besser durchsetzen können, etwa bei Verstößen gegen das Verbraucherschutz- oder Wettbewerbsrecht".

Kommissionsvizepräsidentin Viviane Reding, zuständig für Justiz dazu
: „Die Empfehlung beruht auf einem ausgewogenen Ansatz zur Verbesserung des Zugangs von Bürgern und Unternehmen zum Recht, bei dem ein System von Sammelklagen („class actions") nach US-amerikanischem Vorbild sowie die Gefahr von mutwilliger Prozessiererei und Klagemissbrauch vermieden werden."

In ihrer Empfehlung legt die EU-Kommission eine Reihe gemeinsamer europäischer Grundsätze fest.

So sollte es für Privatpersonen und Organisationen möglich sein, bei einer Schädigung einer Vielzahl von Personen durch dieselbe rechtswidrige Verhaltensweise eine Unterlassungsklage und gegebenenfalls eine Schadensersatzklage anzustrengen. Dabei empfiehlt die EU-Kommission den "Opt-in"-Grundsatz, nach dem die Klagepartei durch ausdrückliche Zustimmung ihrer Mitglieder gebildet wird. Entsprechende Verfahrensgarantien sollen sicherstellen, dass kein Anreiz für einen Missbrauch des kollektiven Rechtsschutzes besteht. Die Mitgliedstaaten sollten zum Beispiel erfolgsabhängige Honorare, die einen solchen Anreiz schaffen könnten, nicht zulassen.

Der kollektive Rechtsschutz ist klar von sogenannten Sammelklagen ("class actions") nach US-amerikanischem Recht zu unterscheiden. In Europa sind in einigen Mitgliedstaaten kollektive Rechtsschutzverfahren eingeführt worden, die sehr uneinheitlich sind. In der Empfehlung werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, innerhalb von zwei Jahren geeignete Maßnahmen einzuführen. Spätestens zwei Jahre nach der Umsetzung der Empfehlung wird die EU-Kommission anhand der Jahresberichte der Mitgliedstaaten den Stand der Dinge prüfen und entscheiden, ob weitere Maßnahmen erforderlich sind, um den in der Empfehlung gewählten allgemeinen Ansatz zu stärken.

Quelle: Vertretung der EU-Kommission in Deutschland, 11. 6. 2013

Fotonachweis: 447335_original_R_K_by_Thorben Wengert_pixelio.de

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