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Was kommt ab 2018 auf Sie zu

B2B-Newsletter > 2017 - Archiv > NL 8/17

Praxis-Kommentar Johannes Muschik

IDD: Rechtliche Ausgangsbasis, Vorschau auf die Umsetzung, was kommt, was droht?

In seinem Gastkommentar geht Johannes Muschik auf alle relevanten Fragen ein:
Produktregulierung, Interessenkonflikte, Anreizsysteme/Bonifikationen, Eignung und Angemessenheit von Investmentprodukten im Versicherungsmantel, Execution Only“, Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen, Beratung und Dokumentation, Wohlverhalten, Informationspflichten und Offenlegung, Art der Vergütung, Rechtsverhältnis zu Versicherer, Zielmarkt, Product Oversight and Governance (POG), Produktinformationsblatt, Beipackzettel für Nicht-Versicherungsanlageprodukte, zentrale Aufsicht und Beschwerdestelle, Haftungen, Sanktionen, Strafen, Damoklesschwert Zivilklage!


Dies ist ein Beitrag aus unserem BAV-Newsletter.
Diesen (mit 4 weiteren Beiträgen) können Sie hier nachlesen und herunterladen...
Hier folgt nun der Gastkommentar von Johannes Muschik:
IDD: Vorschau auf Umsetzung in Österreich
 
Die IDD, (Abkürzung für Insurance Distribution Directive) also die neue EU Versicherungsvertriebsrichtlinie, wurde im Feber 2016 auf europäischer Ebene verabschiedet. Sie muss bis 23. 2. 2018 europaweit in nationales Recht umgesetzt werden. Die IDD legt IDD einen Mindeststandard fest, den die Mitgliedsstaaten nicht unterschreiten dürfen. Aber es ist möglich, dass der nationale Gesetzgeber strengere Vorschriften erlässt (siehe dazu den Punkt zur Vergütung).
 
In Österreich wird voraussichtlich kein eigenes Gesetz geschaffen, sondern werden wohl bestehende Gesetze adaptiert. Darunter fallen etwa die Gewerbeordnung, das Maklergesetz, das Handelsvertretergesetz, das Versicherungsaufsichts- und Versicherungsvertragsgesetz, das Fern-Finanzdienstleistungs-Gesetz und das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz. Berücksichtigt man die üblichen Warte- bzw. Veröffentlichungsfristen, müssen die einzelnen Änderungen bis zum Herbst vom österreichischen Parlament verabschiedet werden.

NEU: Delegierte Rechtsakte
Da viele Details in der IDD nicht konkret geregelt sind, hat die EU-Kommission die EIOPA (die Europäische Versicherungsaufsicht) beauftragt, für die noch offenen Details „technische Empfehlungen“ zu erarbeiten. Diese wurden am 1.2.2017 veröffentlicht. Daraus erarbeitet die Europäische Kommission sogenannte „delegierte Rechtsakte“, die auch als „Level-2“ Regularien bezeichnet werden. Diese sollen bis zum Sommer 2017 dem Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union zur Genehmigung vorgelegt werden. Beide haben danach drei Monate Zeit, die delegierten Rechtsakte abzulehnen.
 
Sofern keine Ablehnung erfolgt, werden die Rechtsakte rechtskräftig und müssen gemeinsam mit der IDD am 23.2.2018 in Österreich umgesetzt sein. Ergeht der Rechtsakt als Verordnung, erfolgt die Umsetzung in österreichisches Recht ganz automatisch.

Die Empfehlungen der EIOPA betreffen fünf zentrale Bereiche der IDD:
1.) Produktregulierung (§ 25 IDD)
2.) Interessenkonflikte (§ 27 und § 28 IDD)
3.) Anreizsysteme/Bonifikationen (§ 29 IDD)
4.) Eignung und Angemessenheit von Investmentprodukten im Versicherungsmantel (§ 29 und § 30 IDD)
5.) Kriterien für „Execution Only“ - Investmentprodukte im Versicherungsmantel (§ 30 IDD)

Erstmals sind alle Vertriebswege erfasst!
Ziele sind hochwertige Beratung, breite Produktauswahl und besserer Konsumentenschutz, aber auch Chancengleichheit unter Versicherungsvertreibern. Daher sind alle gleichermaßen betroffen, d.h. Angestellte der Versicherungsunternehmen ebenso wie Versicherungsagenten, -makler oder Vermögensberater. Auch der Online-Vertrieb muss die gleichen Regeln erfüllen, wie menschliche Berater.
 
Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen
Art. 10 der IDD schreibt vor, dass Versicherungsvertreiber sowie Angestellte von Versicherungsunternehmen, über die angemessenen Kenntnisse und Fertigkeiten verfügen müssen. Um dieses Niveau aufrecht zu erhalten ist ständige Weiterbildung vorzuschreiben (mindestens 15 Stunden pro Jahr).
 
Handeln „im besten Interesse“ des Kunden
Art. 17, 18, 19, 20, 23 der IDD sehen umfangreiche Bestimmungen zu Beratung und Dokumentation sowie Einzelheiten der Auskunftserteilung an Kunden vor. Es ist sicherzustellen, dass der Vertreiber im bestmöglichen Interesse des Kunden handelt, sowie, dass alle Informationen einschließlich Marketing-Mitteilungen von Versicherungsvertreibern an den Kunden redlich, eindeutig und nicht irreführend sind.
 
Wohlverhalten, Informationspflichten und Offenlegung
(Art der Vergütung, Rechtsverhältnis zu Versicherer)
Da sich die IDD an die MiFID-Richtlinie (regelt den Wertpapierverkauf) anlehnt, sind die Informationspflichten und Wohlverhaltensregeln strenger geworden, als bisher üblich. Die IDD schreibt nahezu ident zur MiFID vor: Versicherungsvertreiber haben ihren Kunden gegenüber stets ehrlich, redlich und professionell in deren bestmöglichem Interesse zu handeln.

Art. 19 Abs. 1 IDD regelt, dass Versicherungsvertreiber ihre Kunden VOR Abschluss eines Vertrages informieren müssen, ob sie auf Basis einer direkt vom Kunden bezahlten Gebühr („Honorar“) oder einer Vergütung durch das Versicherungsunternehmen („Provision“) oder auf Basis einer anderen Art von Vergütung entlohnt werden. Weiters ist das Rechtsverhältnis zum Versicherungsunternehmen offenzulegen (ob man als Makler oder Agent tätig ist - „ausgewogene Beratung“ oder „vertraglich gebunden“).

Gemäß Art. 17 Abs. 3 IDD darf die Vergütung des Vermittlers nicht mit der Pflicht, im bestmöglichen Interesse des Kunden zu handeln, kollidieren.
 
Zur Vergütung im Detail
Die IDD regelt, dass ein Versicherungsvertreiber einerseits keine Vergütungen annehmen darf, die mit seiner Interessenswahrungspflicht kollidieren. Andererseits bestehen bestimmte Offenlegungspflichten hinsichtlich der Vergütung (wie entlohnt, in welchem Rechtsverhältnis tätig, etc.). Hier können die Mitgliedstaaten strengere Vorschriften erlassen (also etwa die Annahme einer Vergütungsform einschränken oder verbieten (So war in diesem Zusammenhang lange von einem Provisionsverbot bei „unabhängiger“ Beratung im Gespräch, wogegen sich die Vertreter der Versicherungsvertreiber heftig aussprachen.

Als Vergütung wird jede mögliche Form der Entlohnung verstanden. Also Provisionen, Gebühren, Entgelte oder sonstige Zahlungen. Die Richtlinie spricht von wirtschaftlichen Vorteilen jeglicher Art, oder finanziellen oder nichtfinanziellen Vorteilen oder Anreizen, die in Bezug auf Versicherungsvertriebstätigkeiten angeboten oder gewährt werden.
 
Jedenfalls verboten nach der IDD ist eine Vergütung (Anreiz, Verkaufsziel, etc.), aus der ein Interessenkonflikt entstehen könnte, der bewirkt, dass ein bestimmtes Versicherungsprodukt empfohlen wird, obwohl ein anderes dem Kunden besser entsprechen würde.

Absicherung gegen Insolvenz der Vermittler
Art. 10 Abs. 4 IDD sieht vor, dass Vermittler gegen Insolvenz abgesichert sein müssen, damit Kunden nicht um ihre Prämie „umfallen“ können. Da in Österreich die meisten Vermittler keine Prämien kassieren, sondern nur Anträge weiterleiten, wird wohl eine spezielle Insolvenz-Ausfallsversicherung keinen Sinn machen, die Vermittler nur unnötig belasten und den Kunden keinerlei Vorteile bringen.
 
Zielmarkt, die unterschätzte Herausforderung
In Art. 25 IDD wird im Rahmen der Product Oversight and Governance (POG, in der deutschen IDD-Übersetzung als „Aufsichts- und Lenkungs-Anforderungen" übersetzt) ein Zielmarktbegriff eingeführt. Hier werden die Versicherer in die Pflicht genommen. Sie müssen bereits bei der Produktentwicklung Kriterien für einen zielmarktkonformen Verkauf entwickeln (für welche Kunden ist dieses Produkt geeignet) und diese dem Vermittler zur Verfügung stellen, damit sie die Kunden korrekt beraten können. Hierauf ist auch bei den Schulungsmaßnahmen großer Wert zu legen. Es muss sichergestellt werden, dass die Absatzkanäle für den Verkauf der konkreten Produkte „geeignet“ sind.

Produktinformationsblatt, Beipackzettel für Nicht-Versicherungsanlageprodukte
EIOPA, die EU-Versicherungsaufsicht hat auch ihren finalen Entwurf für ein Produktinformationsblatt zu Nicht-Versicherungsanlageprodukten veröffentlicht. In der Fachsprache heißt dieses Dokument IPID, das steht für „Insurance Product Information Document“, also ein standardisiertes „Informationsblatt zu Versicherungsprodukten“, wie das im Artikel 20 der IDD vorgeschrieben wird. Was bei Lebensversicherungen mit dem KID PRIIPS (Erklärung siehe unten) versucht wird, soll also bei Nicht-Lebensversicherungen mit dem IPID erreicht werden: Nämlich Konsumenten zu ermöglichen, dass sie ein Produkt besser verstehen und es mit anderen vergleichen können.
 
Es hat sich die Bezeichnung "Beipackzettel" eingebürgert, weil darin wie bei einem Medikament die wichtigsten Fakten des Produktes aufgelistet sein müssen. Dieses Produktinformationsblatt wird nach Inkrafttreten der IDD den (potentiellen) Kunden VOR einem Vertragsabschluss überreicht werden müssen.
 
Auf zwei, maximal 3 A4-Seiten sind Angaben wie etwa Art des Produktes, Laufzeit, Deckungsumfang, Zahlungsmodalitäten, Kündigungsmöglichkeit, etc. aufzulisten. Und zwar in klarer, präziser und nicht irreführender Sprache. Erstellen muss dieses Dokument derjenige, der das Produkt entwickelt. Das Layout ist vorgegeben.

Zentrale Aufsicht und Beschwerdestelle
Art. 14 und 15 IDD sehen die Möglichkeit einer außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten vor.
Für das Gewerberecht – hier wird die IDD umgesetzt werden - ist das Wirtschaftsministerium zuständig. Es wird also im Zuge der Verhandlungen zur Umsetzung in Österreich geklärt werden müssen, wie eine einheitliche Kontrolle aller Marktteilnehmer sichergestellt wird.

Haftungen, Sanktionen, Strafen
Die EU Versicherungsvertriebsrichtlinie sieht neue strenge Sanktionen vor. Zusätzlich zu hohen Geldstrafen droht erstmals die Veröffentlichung der für Verstöße verantwortlichen Personen. Für Versicherungen und die Vermittler ist die penible Einhaltung der IDD im Geschäftsbetrieb dringend geboten.     
 
Kapitel VII der Richtlinie listet die möglichen Strafen und Sanktionen auf. Der europäische Gesetzgeber zielt damit insbesondere auf die Einhaltung folgender Bestimmungen ab:
 
•            Anforderungen in Bezug auf die Eintragung (Kapitel II)
•            Organisatorische Anforderungen (Kapitel IV)
•            Informationspflichten und Wohlverhaltensregeln (Kapitel V)
•            Pflichten i.Z.m. Versicherungsanlageprodukten (Kapitel VI)

Als Verstoß wertet man etwa eine fehlende Eintragung eines Versicherungsvertreibers in das  nationale Vermittlerregister bzw. die Annahme von Geschäften nicht eingetragener Vermittler. Diese scheinbare Selbstverständlichkeit kann in der Praxis zu Problemen führen, wenn etwa mit Tippgebern zusammengearbeitet wird. Diese vermitteln zwar selbst kein Geschäft, sondern nur Kontakte. Wenn diese Tippgeber in der Realität doch Abschlüsse durchführen und ihre Anträge bei einer Versicherungsgesellschaft unter dem Namen einer Vertriebsorganisation einreichen, machen sich die leitenden Angestellten der Vertriebsgesellschaft und der Versicherung strafbar.  Das bedeutet in der Praxis, dass die Berechtigung jedes einzelnen Vermittlers und seine Eintragung ins Vermittlerregister regelmäßig zu überprüfen ist. Vertriebsorganisationen müssen ihre Vermittler vertraglich verpflichten, ihnen unverzüglich bei Verlust der Eintragung Meldung zu erstatten.
 
Guter Leumund ist – weiterhin - wichtig
Versicherungsvertreiber müssen gem. Artikel 10 Abs. 3 IDD einen guten Leumund besitzen. Das ist laufend von den Vertriebsorganisationen und Versicherern zu prüfen. Im Übrigen gilt die Pflicht eines guten Leumunds auch für natürliche Personen, die nicht direkt am Vertrieb beteiligt sind, aber in der Leitungsstruktur eines Unternehmens arbeiten. Alle Beschäftigten, die in irgendeiner Form bei  der  Gewinnung  oder Betreuung von Kunden mitwirken, haben diese Anforderung zu erfüllen.
 
Bereits heute verpflichtend ist der Abschluss einer Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung. Für diese wird die Garantiesumme (Mindestbetrag) auf 1.250.000 EUR für den einzelnen Schadensfall und 1.850.000 EUR für alle Schadensfälle eines Jahres festgelegt.  Neu ist eine Insolvenzausfallversicherung des Vertreibers, und zwar immer dann, wenn direkt Prämien von Kunden entgegengenommen werden oder Auszahlungen des Versicherers zunächst an den Vertreiber ergehen, der diese dann an die Kunden weiterleitet.

Angemessene Kenntnisse sind Pflicht
Sowohl Versicherungsvertreiber als auch Angestellte der Versicherungsunternehmen müssen über „angemessene Kenntnisse und Fertigkeiten“ verfügen, die zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben benötigt  werden. Sie müssen auch den Anforderungen ständiger beruflicher Schulung und Weiterbildung genügen. Diese Bestimmung hat in Zusammenhang mit dem  Zielmarkt große Auswirkungen auf die Versicherer. Sie müssen sicherstellen, dass ihre Absatzkanäle für den Verkauf der konkreten Produkte „geeignet“ sind. Dafür sind alle vernunftgebotenen Maßnahmen zu treffen. Details zu den damit zusammenhängenden Pflichten werden in einem delegierten Rechtsakt der EU-Kommission geregelt, dessen Textentwurf  bereits vorliegt. Es werden Versicherung und Vertreiber zu einer Absatzeinheit mit wechselseitigen Informations- und Kontrollpflichten verzahnt.
 
Künftig für jeden kleinen Fehler mindestens 700.000 Euro Strafe?
Die Antwort ist „Nein“! Verwaltungssanktionen bei juristischen Personen sind maximal mindestens Euro 5 Mio. oder 5 Prozent des jährlichen Gesamtumsatzes des Unternehmens und maximal das Zweifache der infolge des Verstoßes erzielten Gewinne bzw. verhinderten Verluste.  

Bei natürlichen Personen: max. mindestens Euro 700.000 und maximal das Zweifache der infolge des Verstoßes erzielten Gewinne bzw. verhinderten Verluste. Das bedeutet in der Praxis: Die Strafhöhe kann beispielsweise bei natürlichen Personen von „Null“ bis maximal 700.000 EUR  betragen. Es sind die Umstände des Einzelfalles zu betrachten: Schwere und Dauer des Verstoßes, Höhe des Schadens  etc. Die unmittelbar höhere Gefahr für Vertreiber und Versicherungen lauert an anderer Stelle.

Damoklesschwert Zivilklage
Verstöße gegen IDD Bestimmungen werden von der Aufsichtsbehörde auf ihrer Website öffentlich gemacht. Dort werden auch die Namen der Verantwortlichen und die ausgesprochenen Strafen angeführt. Man kann getrost davon ausgehen, dass etwa Konsumentenschutzanwälte diese Website der Aufsicht genau beobachten und nach einer Veröffentlichung ihren Klienten umgehende Zivilklagen empfehlen werden.
 
Ein weiterer „Hebel“ für die Einhaltung der IDD Bestimmungen sind auch die Vermögensschadenhaftlicht- und D&O Versicherungen der Betroffenen. Vor Eintritt in einen Schadensfall werden sie vom Vertreiber bzw. vom verantwortlichen Manager die Dokumentation über die Einhaltung aller Obliegenheiten verlangen. Keine oder unzureichende Nachweise ziehen unweigerlich Leistungsfreiheit nach sich, d.h. man bleibt auf seinen Gerichtskosten und einem allfälligen Schadenersatz sitzen.
 
Angesichts der hohen Strafen und Haftungen ist eine rechtzeitige Umsetzung der IDD unbedingt geboten. Dabei gilt der Grundsatz „ganz oder gar nicht“. Nur mit der vollständigen Einhaltung der Regeln ist künftig gewährleistet, dass man „auf der sicheren Seite“ ist.
 
 


Johannes Muschik

Geschäftsführer der VermittlerAKADEMIE und Spezialist für
B2B/B2C Sales und Online-Trainings.

Begleitet als Mitglied des Vorstands des EU-Vermittlerverbands FECIF seit mehr als sieben Jahren die Gesetzwerdung der IDD in Brüssel.


Foto: Raphaela Proell


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